In der 41. Ausgabe von FORUM, dem Ausstellungsformat für junge Fotografie, präsentiert das Münchner Stadtmuseum „Atmen ohne Pause“: eine sensible und eindrückliche Arbeit über das brisante Thema der industriellen Tötung von Tieren. Das Werkensemble der Fotografin und politischen Aktivistin, die unter dem Pseudonym K49814 agiert, dokumentiert Prozesse, die eigentlich im Verborgenen stattfinden. Entgegen bekannter Schockfotografien verweigern sich ihre behutsam gestalteten Schwarzweiß-Aufnahmen dabei jeglicher Plakativität.
„Atmen ohne Pause“ bewegt sich in einem spannenden Kräftefeld zwischen Ästhetik und politischer Programmatik. Vornehmlich in Fotografien, aber auch anderen medialen Formaten wie einer Soundinstallation widmet sich die Arbeit unterschiedlichen Tieren in den verschiedenen Abschnitten der industriellen Verwertungskette. Auf Schwarzweiß-Abzügen begegnen uns Szenen, die teilweise wie schwer zu entziffernde Stillleben anmuten: Ein Meer aus kleinen, runden Metallplatten verstreut auf dunklem Untergrund gibt für einen Moment Rätsel auf. Dank des Titels lässt es sich als Ansammlung von Ohrmarken identifizieren, die für Schlachttiere verwendet werden. Am Ende eines Schlachttages bleibt allein eine Masse von Nummern übrig, die abstrakt vom vorangegangenen Tötungsprozess zeugen. Eine andere Fotografie zeigt vermeintlich ein helles Stück Stoff, das achtlos auf einen von Reifenspuren überzogenen Boden geworfen wurde. Auch hier verrät erst der Bildtitel und der darauf folgende zweite Blick, dass es sich um die Haut einer Kuh handelt.
Im Ausstellungsraum stehen den Bildern des getöteten oder versehrten Tieres Bilder des unversehrten Tieres gegenüber. Sein Gesicht, die zentrale Identifikationsquelle für den Menschen in der Begegnung mit dem Tier, wird dabei nie zur Gänze offenbart. So auch im Falle der „ Ruhenden Kuh“: Betrachterinnen und Betrachter kommen dem Tier durch das Foto äußerst nahe, das Close-Up macht jede einzelne Wimper sichtbar, wie auch die feine Maserung des Felles. Und doch sehen wir aufgrund der Wahl des Bildausschnittes ein Fragment, werden nicht einfach entlassen mit einem Bild des ganzen, des vollständigen Lebewesens. Die Fotografin macht es Betrachterinnen und Betrachtern nicht leicht – und das im besten Sinne. Anstatt zu schockieren oder zu dozieren werfen ihre Bilder Fragen von Empathie, Reflexion und Verantwortung auf. Ganz besonders dann, wenn das ruhige Atemgeräusch einer Kuh die Betrachterinnen und Betrachter im Ausstellungsraum erreicht, wird die Anwesenheit wie auch das Verschwinden des Tieres greifbar. Im Atmen, ein gleichermaßen elementarer wie fragiler Vorgang, verdichtet sich das Anliegen der dokumentarischen Arbeit.
Das Medium Fotografie ist für K49814 nicht Ausgangspunkt, sondern vielmehr eines von vielen denkbaren Mitteln zum Zweck der politischen Auseinandersetzung. Es handelt sich um die erste fotografische Arbeit der Aktivistin überhaupt, die sich den Umgang mit der Kamera selbst beibrachte. Allen Bildern ging eine mehrjährige, intensive Beschäftigung voraus, die die Künstlerin an die Stätten der Massentierhaltung und industriellen Tötung brachte.
Die fotografische Position von K49814 zwischen visueller Poesie und Drastik provoziert. Das Verhältnis und die Vergleichbarkeit von Mensch und Tier, die grundlegende Frage, wer oder was Subjekt sein kann und aus welchem Grund ein Recht auf Leben hat, werden auf kontroverse Art und Weise verhandelt und zur Diskussion gestellt.