Gold gab ich für Eisen - dieses in den napoleonischen Befreiungskriegen kreierte Motto war auch im Ersten Weltkrieg gleichermaßen Stolz und Be-lohnung der Opferbereiten. An der Heimatfront sammelte der damalige Direktor des Münzkabinetts, Julius Menadier, die „Freunde der deutschen Schaumünze“ um nicht nur die Erlebnisse des Weltkriegs in Medaillen festzuhalten und der Nachwelt zu überliefern, sondern zugleich auch die Kunstmedaille mit einem an der Renaissance orientierten Anspruch neu zu beleben. Zu seinen maßgeblichen Unterstützern gehörte kein Geringerer als James Simon, der große Mäzen der Berliner Museen.
In der Ausstellung auf 100 qm werden mit ca. 200 Objekten die Weltkriegsmedaillen der „Freunde der deutschen Schaumünze“ 1915-1917, die Medaillensicht der deutschen Kriegsgegner, und eine in der Gegen-wart jetzt vom Münzkabinett initiierte neue Medaillenedition von 16 lebenden deutschen Künstlern unter dem Thema „1914-2014: Gold gab ich für Eisen“ gegenübergestellt. Die Ausstellung reflektiert die künstlerische Auseinander-setzung mit einem vor hundert Jahren von niemandem gewollten, aber von allen bejubelten Kriegsausbruch und die Wirkung dieser „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts unter den seither gesammelten Erfahrungen im Medium der Medaille. 1914 bis 2014 - in diesem Zeitfenster stellt sich die deutsche politische Medaille zum Thema Krieg in dieser Ausstellung vor.
Sie ist eine handliche Kleinskulptur in einem an eine meist runde Form gebundenen zweiseitigen Relief. Aus diesen gattungsspezifischen Bedingungen ergibt sich eine Spannung, auf die Künstler in allen Zeiten in der ihnen eigenen Formensprache reagierten. Zu den Phasen intensiver Medaillenproduktion in Deutschland gehört die Zeit des Ersten Weltkrieges zwischen 1914 und 1918. Eindrucksvoll illustrieren dies über eintausend Medaillen und Modelle im Besitz des Münzkabinetts. Die damals entstandenen Medaillen und Münzen sind unmittelbare Zeitzeugnisse für die erste große deutsche und europäische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. In keiner Zeit zuvor sind in nur vier Jahren so vielfältige Kunstmedaillen hervorgebracht worden, die auch junge Künstler der Moderne mit einbezogen.
Gold gab ich für Eisen im Jahre 1914
Die ungeheuren Erlebnisse des Weltkrieges, in dem wir um unser Dasein kämpfen, in dauernden Gestalten festzuhalten und der spätesten Nachwelt zu überliefern - so beginnt 1915 der von Julius Menadier, dem damaligen Direktor des Münzkabinetts formulierte Aufruf von 44 „Freunden der deutschen Schaumünze“ an die Freunde vaterländischer Kunst, sich ihrem Anliegen einer besonderen Weltkriegs-Medaillenedition anzuschließen.
Kein Geringerer als James Simon, der große Kunstsammler und Mäzen der Staatlichen Museen zu Berlin, hat ihn an vorderer Stelle unterzeichnet. Die Medaille sollte der Selbstvergewisserung in einer als bedrohlich empfundenen Umwelt dienen, in der man sich von Feinden umgeben sah. Siegesgewissheit suchte man mit Hinweis auf fortschrittliche Waffentechnik zu vermitteln. Man gedachte der neuen Helden in U-Booten und Flugzeugen, deren Tod heroisiert wurde. Künstler wie August Gaul stellten ihre Fähigkeiten in den Dienst der symbolhaften Feindpropaganda.
Wichtig war auch die Stärkung der Zivilgesellschaft. Die Rolle der Frauen wurde aufgewertet, die Moral in Anbetracht der immer weiter steigenden Todesnachrichten zu steigern versucht und Missstände in der schwieriger werdenden Versorgungslage gegeißelt. In Deutschland führte der Kriegsbeginn zu neuen Ausdrucksformen auf den Medaillen. In einer radikalen Bildsprache schuf Karl Goetz satirische Medaillen. Mehrere Künstler nahmen die Bildtradition des Totentanzes wieder auf. Elemente des Jugendstiles sind zwar gelegentlich noch zu finden, doch diese wurden jetzt als ‚französischer Stil’ abgelehnt. Die Edition der „Freunde der deutschen Schaumünze“ 1915 suchte an die als gültig empfundene Formensprache der Renaissance anzuschließen. Dass es auch anders ging, bewies neben Karl Goetz auch besonders Ludwig Gies, der eine eigene Ausdrucksform für die patriotischen Themen fand.
Bei den deutschen Kriegsgegnern ist die Medaille nur ausnahmsweise zu einem Mittel der Kriegspropaganda geworden. Die häufigste Medaille des Weltkriegs, die in Hunderttausenden Exemplaren vergebene britische „Next of Kin Memorial Plaque“, zeigt eine ganz andere Memorialfunktion der Medaille als das deutsche Schaumünzenmodell. Sie feiert keine Siege oder Heldentaten, verunglimpft keinen Gegner, sondern hält schlicht fest, was das Schicksal der meisten der aktiven Kriegsteilnehmer war und was den Angehörigen blieb: die Erinnerung an einen Kriegstoten.
Ebenfalls durch das Münzkabinett initiiert, schuf im Jahr 2013 eine Gruppe von Medailleuren unter dem Motto ‚1914-2014. Gold gab ich für Eisen’ 30 Medaillen, mit denen die Zeit des Ersten Weltkrieges und die letzten einhundert Jahre im Medaillenrund reflektiert werden.
Diese 16 Künstler im Alter von 32 bis 84 Jahren gehören drei verschiedenen Generationen an. Die Auswirkungen der Kriege sind allen - wenn auch in unterschiedlicher Intensität - bewusst. Der Erste Weltkrieg aber ist Geschichte, manchmal Familiengeschichte, vielfach überlagert von Erin-nerungen an den Zweiten Weltkrieg, der zusammen mit dem Nationalsozialismus als die eigentliche deutsche Katastrophe im 20. Jahrhundert wahrgenommen wird. War die Edition der ‚Deutschen Schaumünze’ zwischen 1915 und 1917 vom Patriotismus jener Jahre getragen und von dem Willen der Herausgeber, die Solidarität an der Heimatfront zu stärken, so entstanden in der jetzigen Edition Arbeiten, die vorrangig die Schrecken des Krieges aus heutiger Sicht reflektieren und überwiegend aus einer entschiedenen pazifistischen Haltung heraus geschaffen wurden.