13.08.2009 - 07.11.2010
Zum ersten Mal widmet sich ein Ausstellungsprojekt dem Phänomen des weniger bekannten „Okzidentalismus“. In Abgrenzung zur vielschichtigen Auffassung des „Orientalismus“ und der aktuellen Flut an Sonderausstellungen zu diesem Thema wagt das Badische Landesmuseum einen umfassenden Blick aus einer anderen Perspektive.
Welche Faszination und nachhaltigen Einflüsse gingen von der Kultur des Westens für den Orientalen aus? Hat die Beschäftigung mit der fremden Kultur sichtbare Spuren in seiner Welt hinterlassen? Welche historische Konstellation war Voraussetzung, um die Neugier des Orients am Westen im Verlauf der vergangenen 200 Jahre zu wecken?
Im Visier das Fremde. Orient begegnet Okzident von 1800 bis heute“ heißt die Ausstellung, die vom 13. August bis zum 7. November 2010 im Museum beim Markt diesen und weiteren Fragen nachgeht. Anhand ausgewählter Themen, denen intensive Forschungen und Ankäufe vor Ort im Iran, in der Türkei, in Syrien und in den Maghreb-Staaten vorangingen, rückt die Ausstellung die Rezeption der westlichen Kultur im Osten ins Zentrum des Interesses. Jenseits gängiger Stereotypen lädt sie dazu ein, Selbst- und Fremdbilder kritisch und selbstironisch zu hinterfragen. So werden auch Aspekte des „Orientalismus“ vornehmlich dort gestreift, wo diese im Orient selbst auftauchen und bewusst oder unbewusst zur Projektionsfläche der eigenen, scheinbar genuin islamischen Identität werden.
Ein „heiliger“ Schrein, der das geschlossen erhaltene Salonmobiliar eines um 1900 in Istanbul lebenden Schweizer Chemikers beherbergt, wird erstmals der Öffentlichkeit gezeigt. An dieser Inszenierung wird deutlich, wie ungern man sich selbst in Zeiten der Globalisierung von den Fiktionen der alten Orientalisten löst, und wie gut es sich mit den Vorurteilen über den Anderen leben lässt.
Die Sonderausstellung präsentiert eine einzigartige Auswahl von teilweise bisher nie ausgestellten Stücken, deren Entstehungszeit vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. Ausgehend von literarischen Zeugnissen wie Reiseberichten, Skizzen und Künstlerbriefen wird der Bogen zur reichen Bilderwelt des Themas geschlagen: Der Einfluss von westlichen Druckwerken auf die Darstellung von Porträt, Landschaft und religiösen Szenen in Gemälden, Skulpturen und Textilien hat in der vermeintlich bilderfeindlichen islamischen Welt transkulturelle, hybride Stile entstehen lassen. Sie bestimmen den öffentlichen Raum in Form von Bauwerken und Denkmälern ebenso wie die Privatsphäre, die Kleidung wie das Mobiliar und viele andere Erzeugnisse der Alltagskultur.
Zur Ausstellung erscheint eine Begleitpublikation mit namhaften Autoren. Ein museumspädagogisches Begleitprogramm trägt dem hohen bildungspolitischen Potenzial dieser Sonderschau Rechnung.