Die große Sommerausstellung 2011 im Museum Frieder Burda stellt mit Neo Rauch (*1960) einen der international bekanntesten deutschen Künstler der Gegenwart vor. 36 Hauptwerke der letzten zwanzig Jahre bieten einen eindrucksvollen Blick auf das Schaffen des Leipziger Malers. Chronologisch beginnt der Ausstellungsrundgang im Obergeschoss. Hier finden sich einige der frühesten Werke, die der Künstler öffentlich zur Diskussion stellt. Dazu zählen „Flut I“ und „Flut II“, zwei zur Sammlung Frieder Burda gehörende und fast abstrakt wirkende Gemälde aus dem Jahr 1992/1993. Sie sind ein symbolischer Auftakt für die Bilder-Flut, die den Besucher in der Ausstellung erwartet. Anfangs noch schwer erkennbare Figuren nehmen beim Rundgang durch die Ausstellung immer mehr Gestalt an, wirken zunehmend plastischer, wie wattiert und ausgestopft, bis zum neuesten Werk, der gerade fertiggestellten Bronzeskulptur „Nachhut“, die als dreidimensionale Figur einem der Bilder entstiegen zu sein scheint.
Jeder, der versucht, anhand eines der Bilder eine zusammenhängende Geschichte zu erkennen, wird schnell beim nächsten Detail wieder scheitern und neu ansetzen müssen. Es sind die eigenen Erfahrungen, Träume und Erlebnisse, die der Künstler in seinen Werken verarbeitet. Die Stimmung und Emotionen, die diese Bilder transportieren und auslösen, wird der Betrachter aber ganz ähnlich auch in sich selbst wiedererkennen können.
In den Bildern tauchen immer wieder Comic-Elemente auf. Sprechblasen bleiben allerdings leer und geben weder Auskunft über Handlung noch über Gesagtes. Teilweise verwandeln sie sich in weiße Streifen, wie man sie von Anziehpuppen aus Papier kennt, und scheinen einzelne Objekte wie Klebestreifen im Bild fixieren zu wollen. Eigentlich kreisrunde Objekte wie Filmrollen („Vorführer“, 1997) und (Rauch-) Wolken bekommen die Form einer Malerpalette. Vielleicht als Anspielung auf den Namen des Künstlers? Immer wieder sieht man auch Rauch aus Vulkanen aufsteigen. Diese, das Unbeherrschbare symbolisierenden Berge stehen in Landschaften, die der Gegend um Leipzig sehr ähnlich sind, in der Neo Rauch aufwuchs. Hier lebt und arbeitet er auch heute noch, und hier geht er auf Motivsuche („Der Sucher“, 1997). Der Besucher der Ausstellung wird immer wiederkehrende Details oder sogar ein Bild („Saum“, 1993) im Bild („Rückzug“, 2006) in den Gemälden entdecken. Bedeutungslos ist sicher keines, so wie sicher keines von ihnen zufällig dorthin gelangt ist. Zur erzählbaren Geschichte setzen sie sich für den Betrachter jedoch kaum zusammen.
Die im Museum Frieder Burda gezeigten Arbeiten stammen aus deutschen und europäischen öffentlichen und privaten Sammlungen. Kurator der Ausstellung ist Werner Spies, ehemaliger Direktor des Centre Pompidou in Paris.