01.04.2011 - 15.05.2011
Das Museum für Photographie Braunschweig präsentiert die umfangreiche Reportage Seacoal des britischen Fotografen Chris Killip zum ersten Mal als umfassende Ausstellung. Diese monografische Schau integriert sich in eine Ausstellungsreihe unseres Hauses, die jedes Jahr einen dokumentarfotografischen Klassiker neu zur Diskussion stellt.
Zwischen 1983 und 1984 verbrachte der britische Fotograf Chris Killip über 14 Monate in einem Caravan in Lynemouth an der nordenglischen Küste. An einem schmalen Küstenstreifen sammelten die Anwohner am Strand Schwemmkohle, die aus einer nahegelegenen Mine stammte, und verkauften sie illegal weiter. Die Menschen, die diese "natürliche Kohlenwäsche" nutzten, misstrauten zunächst dem Fotografen. Killip gewann ihr Vertrauen, fotografierte ihre archaische Arbeit und porträtierte ihr Leben in den ärmlichen Behausungen und Wohnwagen. In seinen Bildern werden die verschiedenen Personen und Familien des Coal Camps zu wiederkehrenden, vertrauten Protagonisten - ein Aspekt, der dieses dokumentarische Unternehmen in die Nähe von Walker Evans' berühmter Serie Let Us Now Praise Famous Men von 1936 rückt.
Von dieser umfangreichen Arbeit sind bisher nur 17 Fotografien veröffentlicht worden, darunter einige in der viel besprochenen Ausstellung "Another Country" in der Londoner Serpentine Gallery 1985, zusammen mit Aufnahmen von Killips Kollegen Graham Smith. Another Country war damals ein wichtiges Statement innerhalb der dokumentarisch-kritischen Betrachtung der Thatcher-Ära, ein letzter Höhepunkt der britischen Schwarzweiß-Tradition. Jüngere Fotografen wie Martin Parr oder später Nick Waplington fotografierten in Farbe. Des Weiteren befinden sich Aufnahmen aus dem Seacoal-Projekt in Killips berühmtem Buch In Flagrante. Einige dieser Bilder wurden zu Ikonen einer humanistisch engagierten Fotografie der 1980er Jahre.
Die Braunschweiger Ausstellung ist die einzige Station dieser Schau in Deutschland. Zu ihrem Anlass wird beim Steidl Verlag in Göttingen ein Fotoband erscheinen, der sich einzig der Seacoal-Serie widmet. Weitere europäische Stationen in Schottland, Frankreich und in der Schweiz sind in Planung.
Chris Killip (geb. 1946) ist einer der wichtigsten britischen Dokumentarfotografen, in seinen langfristigen Fotoprojekten beschäftigt er sich hauptsächlich mit dem Alltag der britischen Unterklasse. Er stammt von der Isle of Man und zu seinen wichtigsten Arbeiten zählen seine Porträts der Bewohner dieser Insel. Killip war einer der Gründer und Kuratoren der Side Gallery in Newcastle (1977). Für seine Bilder aus dem Nordosten Englands erhielt er 1989 den Henri-Cartier-Bresson-Preis. Ebenfalls 1989 erschien sein legendäres Buch In Flagrante. Seit 1991 lehrt er als Professor für Visual and Environmental Studies an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts.