Jod, Chlor, gelöste Substanzen. »Franz Wanner. Gift – Gegengift. Krankheitsbilder einer Stadt« geht dem Einfluss dieser Wirkstoffe auf eine deutsche Kleinstadt nach und erzählt als moderne Mythologie die Geschichte ideeller Transformationen. Der Zyklus Gift – Gegengift. Krankheitsbilder einer Stadt folgt den Motiven des Liquiden und Fluiden und zeichnet die stoffliche Wandlung von Gedanken in Produkte, von immateriellen Vorstellungen in gelebte Glaubensgrundsätze nach, aber auch deren Dekonstruktion und Auflösung. Wirkstoffe suggerieren Heilung, erzeugen aber auch Abhängigkeiten. Ihre richtige Dosierung ist entscheidend. Die Ambivalenz dieser vielschichtigen Beziehungen verdeutlicht der Fotograf in einer fotografischen Verdichtung assoziativer Episoden seiner Heimatstadt.
Franz Wanner wurde 1975 in Bad Tölz geboren. Er studierte an der Akademie der bildenden Künste München (bei Res Ingold) und ist seitdem als freier Künstler in München tätig. Seine Filme wurden auf zahlreichen Filmfestivals Europas gezeigt. Viele seiner Arbeiten entstehen in Zusammenarbeit mit anderen KünstlerInnen, Filmemachern und WissenschaftlerInnen.
Wanners Arbeit verschmilzt Momente historischer Epochen und Jetztzeit und setzt sie in ein spannungsgeladenes Beziehungsgeflecht. Seine Fotografien kontrastieren Fakt und Fiktion, Ironie und Ernst, zeigen Unbekanntes, Kurioses, Verdrängtes und Unerhörtes. Darüber hinaus erklären sie das fotografische Medium selbst zu einem Transformator, der verschiedenen ideologischen Gebrauchsweisen unterliegt, mit dem Potential, dieselben kritisch zu reflektieren. Wanners Werk ist gekennzeichnet von einem spielerischen Umgang mit Tatsachen und Behauptungen sowie hintersinnigem Humor, was auch seine biografischen Angaben einschließt: „ausgebildet in Spektakel, sozialen Phänomenen und urbanem Rauschen“ mit „Freiflugdiplom und Staatsexamen“.
In seiner für Braunschweig neu produzierten Arbeit und ersten institutionellen Einzelausstellung nähert sich der Künstler der Geschichte seiner Geburtsstadt an und entwickelt deren fotografisches Portrait. Wanners präziser, sezierender Blick visiert hierbei Verborgenes und findet hintergründige Referenzen, die dem Klischeebild von Tölz widersprechen. Er spürt vergessenen Momenten der Geschichte der Stadt nach, wie der historischen Wandelhalle des Kurortes Tölz, der Zeit des Nationalsozialismus, geheimen nachkriegsdeutschen Spionagetreffen, oder dem Spaß- und Erlebnisbad Alpamare als Freizeitutopie der 1970er Jahre. Neben diesen geschichtlichen Referenzen untersucht Wanners Arbeit die Gegenwart der Stadt. Der Mythos mancher Substanzen hat sich verflüchtigt, stattdessen entfalten sich andere Wirkstoffe. Eine Stadt auf der Suche nach neuen sinnstiftenden Substraten. Können Kunst und Technologie ein neues Wunder von Tölz bewirken?
Gift – Gegengift. Krankheitsbilder einer Stadt ist eine konzeptuelle Fortsetzung Wanners filmischer Arbeit Trafo (2012-2013), die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sein wird, erweitert um eine fotografische Rauminstallation mit Audio-Elementen.