Die Ausstellung "FUENF" im Museum für Photographie vereint fünf künstlerische Positionen aus Braunschweig, Hannover und Berlin, die überzeugende Arbeiten im Bereich der Fotografie darstellen. Fast alle Arbeiten werden hier das erste Mal gezeigt und sind zum Teil für diesen und in Auseinandersetzung mit dem Ausstellungsort entstanden.
So unterschiedlich die Herangehensweisen aller fünf Positionen sind – eine Gemeinsamkeit lässt sich dennoch festhalten: Alle fünf künstlerische Positionen setzen sich mit dem Medium Fotografie selbst auseinander. Es sind nicht nur (wenn überhaupt) Arbeiten mit sondern vor allem über Fotografie. Sie loten die Möglichkeiten und Grenzen des Mediums aus.
Bei Daniela Friebels fotografischen Arbeiten lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Die Künstlerin hat sich das Trompe l’oeil zum Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit gewählt, ein aus der Malerei stammendes Genre, das es auf die Vortäuschung von Wirklichkeit anlegt. Friebels "Paintings" (2015) etwa – drei übergroße Leinwandrücken, die im Eingangsbereich des zweiten Torhauses lehnen – offenbaren sich bei näherem Hinsehen als überdimensionale Fotografien. Auch dass die eigentümlichen Felsformationen der Arbeit Batería (2015) in Wirklichkeit militärische Zwecke erfüllen, sieht man erst nach längerem Studium der Fotografien und Texte. Friebels Arbeiten sind spielerische Auseinandersetzungen mit der Fotografie. Im Prozess des "Schauens – Getäuscht Werdens – Erkennens" wird der Betrachter dazu animiert, über das Verhältnis von (fotografischem) Bild und Referent nachzudenken. Es wird offenbart, dass ein Bild eben etwas anderes ist als der Gegenstand, den es repräsentiert.
Zwei große QR-Codes prangen auf den beiden Billboards neben den Torhäusern des Museums für Photographie. Scannt man sie mit einem Smartphone, gelangt man zu Meike Redekers Arbeit "Gähnen Kratzen Summen" (2016), einem textbasierten Film, der den Vorbeispazierer – nicht unbedingt den Museumsbesucher – Teil einer filmischen Handlung werden lässt. Der Film lenkt den Blick des Betrachters auf seine Umgebung, die für ihn als inszenierte Wirklichkeit erscheint. "Gähnen Kratzen Summen" basiert auf der Arbeit "SCRATCH, YAWN, HUM", die Redeker 2015 für einen Galerieraum entwickelte. Für die Ausstellung "FUENF" hat Redeker die Arbeit an die besondere räumliche Disposition des Museums und die Präsentation im öffentlichen Raum angepasst. Somit fungiert "Gähnen Kratzen Summen" als Brücke in der Ausstellung. Sie lässt das räumlich geteilte Museum eins werden und verbindet die Arbeiten in den beiden Torhäusern miteinander.
Als Absolvent der Hochschule der Bildenden Künste hat sich Christian Retschlag im Raum Braunschweig als Fotograf enigmatischer Einzelbilder bereits einen Namen gemacht. In "FUENF" wird Retschlag, neben weiteren Arbeiten, erstmalig einen Ausschnitt aus einer im Entstehen begriffenen Serie zeigen. Es sind Fotografien von einzelnen Bäumen im Wald, die durch ein dahinter gehaltenes weißes Papier freigestellt wurden. Die Sachlichkeit dieser Aufnahmen erinnert an die Pflanzenfotografie eines Karl Blossfeldts. Anders als bei Blossfeldt ist der Akt der Freistellung bei Retschlag jedoch Teil und Thema des Bildes. Es ist ein Eingriff in die Natur, der die Natur – für den kurzen Moment der Aufnahme – zum Kunstobjekt macht.
Die Arbeit "untitled" (2016) von Stella von Rohden & Sascha Kregel ist das Ergebnis einer neuen künstlerischen Kollaboration. Erstmalig zeigen die beiden Künstler einen Einblick in ihre Zusammenarbeit, die erst in diesem Jahr begann. Die raumgreifende Installation, die in FUENF zu sehen sein wird, ist das Resultat eines vielstufigen Produktions- und Transformationsprozesses, der neben Fotografie auch Zeichnung und Skulptur vereint. Er beginnt mit kleinen Arbeiten jedes Einzelnen, die in einem Modell zusammengestellt und fotografiert werden, um in einem letzten Schritt in den Museumsraum übertragen zu werden. Die Arbeit nutzt die Fotografie nicht als Medium, das abbildet, sondern als eigenständiges Gestaltungsmittel, den ‚klassischen’ Künsten wie Malerei und Skulptur in ihrem künstlerischen Potential ebenbürtig.
Jonas Habrichs Arbeit "Etwas später" (2016) hat auf den ersten Blick nichts mit Fotografie zu tun: Eine schwarze, raumfüllende Holzfläche, aus der ein Quadrat ausgeschnitten und mit Ton gefüllt wurde. Aus dem Ton führen Fußspuren heraus. Habrich befindet sich hier im Metaphernraum der Fotografie. Die Fotografie als "Spur" eines vergangenen Moments ist eine der prominentesten Metaphern der Fotografiegeschichte. Habrich überträgt sie in eine bildhauerische Arbeit, die auf subtile Weise auch die Grenzen des Mediums Fotografie aufzeigt. Der Ton hat die Abdrücke einer Tänzerin aufgenommen, die wenige Tage zuvor dort gewesen ist. Dieses Ereignis ist für den Betrachter in unerreichbare Ferne gerückt. Es existiert nur noch in den Spuren im Ton und in der Imagination des Betrachters – so wie auch eine Fotografie immer nur einen Moment zeigen kann, ihn aber nie vollständig wiederholt.