Conrad Felixmüller (1897-1977) verfügte über ein außergewöhnliches künstlerisches Talent, das ihm bereits mit 15 Jahren die Aufnahme in die Malklasse von Carl Bantzer an der Königlichen Kunstakademie in Dresden ermöglichte. Zwischen 1915 und 1933 gehörte er neben Otto Dix zu den bekannten und erfolgreichen jungen deutschen Künstlern. Die expressiv-kubistischen Arbeiten vor 1919 sowie das spätexpressionistische Werk der frühen 1920er-Jahre bestimmen heute die Wahrnehmung seines Schaffens. Felixmüller selbst stand diesen Arbeiten später kritisch gegenüber und vernichtete in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre viele dieser Gemälde und Grafiken. Anders als Dix stellte er seine Kunst in den Anfangsjahren der Weimarer Republik dezidiert in einen politischen Kontext. Mit Holzschnitten für die Zeitschriften Die Aktion und Menschen versuchte er, in klarer Bildsprache den Betrachter zu einer aktiven Teilnahme am Aufbau einer demokratischen Gesellschaft zu bewegen. Es ist vor allem sein druckgrafisches Œuvre, das heute diesen Abschnitt seiner Entwicklung dokumentiert. Nachdem Felixmüller 1920 mit dem Sächsischen Staatspreis ausgezeichnet wurde, entschied er sich, das Stipendium nicht für den traditionellen Aufenthalt in der Villa Massimo in Rom zu verwenden, sondern in die Bergbau-gebiete an der Ruhr zu gehen und dort das Leben der Minenarbeiter zu studieren. Entsprechend ändert sich zu Beginn der 1920er-Jahre die inhaltliche Ausrichtung seines Schaffens, was die Öffentlichkeit 1923 in einer Ausstellung des Berliner Kronprinzenpalais erstmals wahrnehmen konnte.
Gegen Ende der 1920er-Jahre hat Felixmüller zu einer für sein weiteres Schaffen charakteristischen sachlichen Bildsprache gefunden, verbunden mit einem kräftigen Kolorit und einer zarten Malweise. 1934 verließ der Künstler infolge der nationalsozialistischen Kulturpolitik seine Heimatstadt Dresden und ging mit der Familie nach Berlin. Hier lebte er, unterbrochen von Reisen, zurückgezogen bis 1944. Nach der Ausbombung seiner Wohnung zog er ins sächsische Tautenhain, nördlich von Chemnitz gelegen, wo ihm sein langjähriger Freund und Mäzen Hanns-Conon von der Gabelentz eine Unterkunft vermittelte. Bis 1961 hatte Felixmüller hier seinen Lebensmittelpunkt. Die Zeit in Tautenhain ist eng verbunden mit seiner Lehrtätigkeit an der Martin-Luther-Universität in Halle/Saale, wo er von 1949 bis 1962 Zeichnen unterrichtete. Eine wichtige Arbeit aus diesem Zeitraum sind die 1952 entstandenen sechs großformatigen Gemälde für die Tautenhainer Jakobikirche. Gleichzeitig führte er seine Auseinandersetzung mit dem Leben der Werktätigen fort, wodurch sein Schaffen von der Kulturpolitik der DDR zunächst mit Interesse verfolgt und instrumentalisiert, in den 1950er-Jahren aber mehr und mehr abgelehnt wurde. 1961 zog Felixmüller zunächst nach Ost-Berlin und siedelte 1967 nach West-Berlin über. Seit den 1970er-Jahren war sein Œuvre Gegenstand zahlreicher Ausstellungen in beiden deutschen Staaten.
Die Ausstellung im Museum Gunzenhauser unterteilt sich in fünf Kapitel, die die wesentlichen inhaltlichen Aspekte seines Schaffens vorstellen: Familie, Lebensstationen, Freunde, Arbeitswelten und Felixmüller in der DDR. Inhaltlich liegt der Fokus der Präsentation auf den letzten beiden Kapiteln. Beginnend mit der Reise ins Ruhrgebiet 1920 durchzieht das Thema „Arbeitswelten“ das gesamte Schaffen des Künstlers bis in die späten 1960er-Jahre. In der Vergangenheit haben sich Ausstellungen zum Schaffen des Künstlers in der Regel auf die so genannten Dresdner Jahre vor 1933 beschränkt und die verbleibenden vier Jahrzehnte vernach-lässigt. Ursache hierfür ist der deutlich wahrnehmbare Wandel in Felixmüllers Œuvre am Ende der 1920er-Jahre, der vor allem durch seinen eigenen Umgang mit den frühen Werken markiert wird. Die Kunstgeschichte hat bis heute Schwierigkeiten in der Einordnung und Bewertung der nach 1933 entstandenen Arbeiten. Das dadurch unvollständige Bild vom Schaffen des Künstlers zu korrigieren wird die Ausstellung daher die innere Entwicklung von den frühen Arbeiten um 1920 über ausgewählte Beispiele aus den 1930er- und 1940er-Jahren bis in die 1950er-/1960er-Jahre in der ehemaligen DDR verfolgen und mit repräsentativen Werken vorstellen.
Einen besonderen Aspekt wird hierbei das Kirchenausstattungsprojekt in Tautenhain bilden, wo Felixmüller 1952 für die Jakobikirche großformatige religiöse Malereien schuf. Auf ihnen stellte er in zeitgenössischem Dekorum Heils-, Heiligen- und Ortsgeschichte dar. Es ist das einzige sakrale Werk im Schaffen des Künstlers, das zudem zu einem Zeitpunkt entstand, als in der DDR um Formalismus und Realismus gestritten wurde. Mit diesem kulturpolitischen Kontext musste sich Felixmüller auch während seiner 13-jährigen Lehrtätigkeit an der Martin-Luther-Universität in Halle/Saale auseinandersetzen. Der Spagat zwischen Staat, offizieller Politik und persönlicher Überzeugung bildet den Hintergrund des späten Schaffens des Künstlers, das erstmals explizit thematisiert und in Katalogbeiträgen bearbeitet wird. Damit versucht die Ausstellung, anhand von knapp 200 Werken ein neues Licht auf das Œuvre Conrad Felixmüllers zu werfen und einen neuen Zugang zu den nach 1933 entstandenen Arbeiten zu ermöglichen.