René Groebli zählt zu den bekanntesten Fotografen der Schweiz. Seine 67 Bilder umfassende Fotogeschichte "Magie der Schiene" ist in die Annalen der Fotografie eingegangen. Aus dieser Serie hat René Groebli kürzlich in seinem umfangreichen Archiv noch weitere 15 Negative wiederentdeckt, die 1949 schweren Herzens wegen einer notwendigen Kürzung zur Seite gelegt werden mussten und dann einfach vergessen wurden. Die Ausstellung umfasst um die 80 Schwarzweiss-Fotografien, darunter noch nie veröffentlichte, unbekannte Fotografien, die nun die geheimnisvolle Aura der legendären Serie der "Magie der Schiene" ergänzen und erstmals komplett präsentiert werden.
René Groebli fuhr 1949 mit der französischen Eisenbahn von Paris nach Basel und fotografierte unterwegs die dampfenden Lokomotiven, damals Symbole für Technik und Kraft, rollende Waggons, Schienenstränge, Bahnsteige, Schrankenwärter, Telegrafenmasten, Gleisanlagen, Weichengewirr, Reisende, Menschen in und vor rasenden Zügen. Er fotografierte Dynamik, Geschwindigkeit, Geruch und Geräusche. Das Zischen des Dampfes, den Schwefel des Rauchs, das Quietschen der Achsen, das Rattern der Waggons, die Zugluft im Führerstand des Lokomotivführers und auch die Sonnen-wärme am Zugfenster. René Groebli fotografierte, was nicht greifbar ist, was man aber heute noch spüren, riechen, fühlen und hören kann, wenn man diese traumhaft assoziative Bilderreihe sieht. In der Geschichte der Fotografie hat kaum wieder ein Fotograf sinnliche Wahrnehmung so sichtbar abgelichtet und dokumentiert.
René Groebli wurde 1927 in Zürich geboren, besuchte kurz die Fotoklasse von Hans Finsler an der Kunstgewerbeschule Zürich, bevor er zum Film wechselte. Er erhielt 1948 als einer der ersten Schweizer das Diplom als Kameramann für Dokumentarfilm und wurde einer der brillantesten Schwarzweiss-Fotografen, einer der subtilsten Meister in der Dunkelkammer. In den frühen 1950er-Jahren arbeitete er als Reportagefotograf für Life, Picture Post und verschiedene andere internationale, illustrierte Magazine und für die Londoner Agentur Black Star in Afrika und im Nahen Osten. Schon als 26-Jähriger wurde er 1953 zur Teilnahme an der legendären Ausstellung "The Family of Man" eingeladen, die Edward Steichen für das Museum of Modern Art (MoMA) in New York kuratierte und die später weltweit in zahlreichen Museen gezeigt wurde.
Einen gewissen Einfluss auf sein frühes fotografisches Werk hatten seine Freunde, die bekannten Schweizer Fotografen Jakob Tuggener und auch Robert Frank, der später in den USA berühmt wurde. Robert Franks Arbeitsweise, seine Art mit der Kamera umzugehen, beschäftigte René Groebli und führte ihn zu seiner ganz eigenen subjektiv-poetischen Bildsprache. Erkennbar in seinem Fotoessay "Das Auge der Liebe" (The Eye of Love), entstanden 1953 in Frankreich auf der verspäteten Hochzeitsreise mit seiner Frau Rita – ein fotografisches Liebesgedicht, welches das MoMA später für die Sammlung des Museums erwarb.
1954 wurde er in das Kollegium Schweizerischer Photographen aufgenommen. In Deutschland entdeckte der berühmte Fotograf Otto Steinert, Gründungsmitglied der avantgardistischen Gruppe "fotoform" René Groeblis fotografisches Talent und zeigte seine Bewegungsbilder 1951 und 1954 in den Ausstellungen "subjektive fotografie". Auch mit seiner Farbfotografie war René Groebli ein Entdecker. Er leistete Pionierarbeit, wurde schon 1957 im renommierten amerikanischen Magazin Color Annual "Master of Color" genannt und Jahre vor Andy Warhol und der Pop Art, Jahrzehnte vor Photoshop und digitaler Bildbearbeitung experimentierte er mit farblichen Effekten, mit Verfremdungen, Überblendungen und Montagen. Die kreativen und kommunikativen Möglichkeiten der modernen Farbfotografie nutzte er auch zeitweise sehr erfolgreich für Auftragsarbeiten in seinem Studio für Industrie- und Werbefotografie. René Groebli gehört zu den experimentierfreudigsten Persönlichkeiten der Fotogeschichte. Er profilierte sich mit faszinierenden Bewegungsstudien und avantgardistischen Farbfotos. Nach mehr als 60 Jahren Arbeit mit der Kamera steht heute sein Werk für eine "… leidenschaftliche Suche nach subjektivem Ausdruck und fotografischer Poesie zwischen Schwarzweiss und Farbe, zwischen Bewegung und 'Still-life', zwischen Realität und Traum, zwischen Magie und Melancholie."" (Ausstellungstext Kunsthaus Zürich, 1999). René Groebli arbeitet bis heute noch sehr aktiv in Zürich in seinem grossen Archiv an Ausstellungsvorbereitungen, Editionen und diversen Publikationen.