Renée Sintenis (1888–1965) gehört zu den bedeutendsten Bildhauerinnen ihrer Generation. Nur zwei Jahre älter als Emy Roeder, war sie neben ihr die einzige Bildhauerin des 20. Jahrhunderts, die sich intensiv mit der Tierplastik auseinandersetzte. Ihre bekannteste Skulptur ist der Berlinale Bär, der alljährlich als symbolträchtige Ikone auf den Internationalen Filmfestspielen verliehen wird.
In Kooperation mit dem Georg-Kolbe-Museum Berlin widmet das Museum im Kulturspeicher Würzburg der Künstlerin eine umfassende Einzelausstellung. Die Retrospektive vereint fast 200 Plastiken: in Bronze und Silber gegossene Tierfiguren, eindrucksvolle Darstellungen von Sportlern sowie expressive Porträts, darunter Bildnisse ihrer engsten Freunde wie Joachim Ringelnatz. Hinzu kommen beeindruckende Selbstporträts. Eine Auswahl grafischer Blätter gibt aufschlussreiche Einblicke in ihre treffsicheren Studien der tierischen Physiognomie. Darüber hinaus vermittelt eine Vielzahl von historischen Fotografien ein lebendiges Bild der emanzipierten Protagonistin der Berliner Kunstszene.
In den Jahren der Weimarer Republik war Renée Sintenis insbesondere für ihre Tierskulpturen berühmt. Ihr Interesse galt den von ihr sehr geliebten Pferden sowie Eseln, Hunden, Ziegenböcken und Rehen. Meist wählte die Bildhauerin Jungtiere als Vorbilder für ihre Kunstwerke, die sie in verspielten und lebensecht bewegten Posen festhielt.
Über ihr bildhauerisches Schaffen hinaus war Sintenis eine aufsehenerregende Persönlichkeit der Berliner Moderne. Bereits mit Mitte 20 erkämpfte sie sich eine eigenständige künstlerische Existenz und zählte damit zu den wenigen Frauen, die sich in der dichten Berliner Kunstszene durchsetzen konnten. Mit ihrer hoch aufragenden Körpergröße von 1,80 m, ihrer schlanken Gestalt, ihrem androgynen Äußeren und einem selbstbewussten, modischen Auftreten verkörperte sie in idealer Weise den damals vielfach herbeigesehnten Typus der 'Neuen Frau' - auch wenn sie selbst ein eher scheues Wesen hatte.
Obwohl Sintenis 1934 wegen ihrer jüdischen Großeltern aus der Akademie der Künste ausgeschlossen wurde (wo sie 1931 als erste Bildhauerin und nach Käthe Kollwitz als zweite Frau aufgenommen worden war), blieb sie in der Folgezeit von rassistischer Verfolgung verschont. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie an die Berliner Hochschule der Künste berufen und mit hohen Auszeichnungen geehrt.
Die Leihgaben der Ausstellung stammen überwiegend aus der Berliner Sammlung Knauf, ergänzt durch Werke aus dem Bestand der Neuen Nationalgalerie Berlin sowie aus der Sammlung des Georg Kolbe Museums, Berlin. Das Konzept der Ausstellung wurde vom Georg Kolbe Museum, Berlin, erarbeitet.
Im Museum im Kulturspeicher bietet sich mit dieser Schau ein reizvolles Gegenüber zu den Plastiken der Bildhauerin Emy Roeder, deren künstlerischer Nachlass hier verwahrt wird. Auch Emy Roeder befasste sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Metier der Tierplastik als Gestaltung kreatürlichen Seins.