Würdevolle Gesichter von jüngeren und älteren Menschen sowie verwüstete Landschaftsaufnahmen treten dem Betrachter in den Fotografien von Denis Rouvre gegenüber. Sie alle verbindet eines: Das Überleben einer Naturkatastrophe und die Entschlossenheit, das Vergangene zu überstehen.
Vor vier Jahren, am 11. März 2011, ereignete sich mit Stärke 9 die bislang schwerste Erdbebenkatastrophe Japans, die in Folge nicht nur einen verheerenden Tsunami an Japans Küste auslöste, sondern ebenfalls schwere Unfälle im Kernkraftwerk Fukushima verursachte. Der Tsunami forderte rund 21.000 Opfer, zerstörte die Küstenlinie der Tohoku-Region in einer Länge von knapp 600 Kilometern und verwüstete ganze Landstriche, Städte und Hafengebiete. Mehrere Hunderttausend Menschen wurden aus den betroffenen Gebieten in einem Radius von 30 Kilometern rund um das Kernkraftwerk evakuiert und verloren nicht nur ihr Zuhause, sondern ebenfalls Familie, Freunde und kostbare Erinnerungen.
Ein halbes Jahr nach der Katastrophe reiste der an der renommierten Ècole Louis Lumière ausgebildete französische Fotograf Denis Rouvre, geboren 1967 in Paris, in die betroffene Region, um das Geschehene mit eigenen Augen wahrzunehmen und zu begreifen – er sprach mit den Leidtragenden und bereiste die kargen Landschaften, ohne ein direktes Ziel vor Augen zu haben und ohne jeglichen Auftrag.
Auf dieser Reise entstanden zwei Serien: Ausdrucksvolle Porträts der Betroffenen in würdevoller Nahaufnahme vor schwarzem Hintergrund sowie Aufnahmen der unwirtlichen Orte und verlassenen, verwüsteten Landschaften. Diese stets quadratischen Formate hat Denis Rouvre unter dem Titel "Low Tide" (Ebbe) zusammengefasst.
Mit "Low Tide. Japan nach dem Tsunami" präsentiert das Museum Kunst der Westküste eine ausdrucksstarke Zusammenstellung von insgesamt 29 Werken. Die Serie wird erstmalig in Deutschland gezeigt. Sie wurde im "The New York Times Magazine" publiziert und mit dem 3. Preis des World Press Photo 2012 ausgezeichnet. Weitere Auszeichnungen des in Paris lebenden Fotografen sind der 2. Preis des World Press Photo 2010 und 2013 sowie der 2. Preis des Sony World Photography 2011.