10.04.2010 - 01.08.2010
1959 erreichte die gestisch-abstrakte Malerei auf der documenta II in Kassel einen Höhepunkt. Vierzehn Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde hier eine zentrale Tendenz der Malerei gefeiert, die sich als ein die westliche Welt umspannendes internationales Phänomen präsentierte. Mit dieser documenta sowie einer großen Tournee des amerikanischen Abstrakten Expressionismus durch mehrere europäische Hauptstädte im Jahr zuvor, erhielt die so genannte informelle Malerei einen gleichsam offiziellen Status. Die Bedeutung der „Abstraktion als Weltsprache“ hatte sich durch¬gesetzt und etabliert, obgleich sich zur gleichen Zeit bereits neue, z.B. intermediale Tendenzen in der Kunst ankündigten.
Die Ausstellung Le grand geste! im Düsseldorfer museum kunst palast zeichnet fünfzig Jahre später mit 150 Gemälden den Weg und die künstlerische Entwicklung von Informel und Abstraktem Expressionismus nach: ein Weg, der von Frankreich und Amerika durch Deutschland, Italien, Holland, Spanien und andere europäische Länder führte.
Die künstlerische Avantgarde nach 1945 – zerrissen und desillusioniert, aber auch in höchstem Maße moralisch und existentiell motiviert – suchte nach Ausdrucksformen, die nicht durch die unmittelbare Vorgeschichte des Weltkriegs korrumpiert waren und größtmögliche Freiheit beim Entstehungsprozess ermöglichten.
Die jungen Künstler, die z.T. an Bildpraktiken des Surrealismus anknüpften, experimentierten mit neuen Materialien und Prozessen, die das formale und konzeptuelle Spektrum enorm erweiterten: So wurde Farbe gegossen und geträufelt, wurden Malgründe zerkratzt oder der Malvorgang extrem beschleunigt. Auf dem Boden liegende Leinwände entwickelten sich zur Bühne des Künstlers. Hier kündigte sich bereits der Übergang zur späteren Aktionskunst an, was auch der von Harold Rosenberg für die gestische Malerei der USA geprägte Begriff „Action Painting“ verdeutlicht.
Das europäische Äquivalent dieser Kunst belegte man mit zahlreichen Begriffen, wie lyrische Abstraktion, Tachismus oder Informel. Die 1950 von dem französischen Kritiker Michel Tapié eingeführte Bezeichnung Informel wurde hier die tragfähigste. Wie ein informelles Bild ist diese Kunstströmung selbst als variable, offene Struktur beschreibbar – also weniger ein Stil als eine künstlerische Haltung. Mit den Worten von Karl Otto Götz, einem ihrer wichtigsten deutschen Protagonisten handelt es sich bei der informellen Kunst um: „die Auflösung des klassischen Formprinzips mit malerisch und materialmäßig vielen Möglichkeiten.“ Hiermit wurden wichtige strukturelle Vorarbeiten geleistet, auf die die nachfolgende Künstlergeneration aufbauen konnte.
Die Düsseldorfer Ausstellung Le grand geste! konzentriert sich auf die Jahre zwischen 1946 und 1964, fokussiert hier die Höhepunkte des deutschen Informel bis hin zu der Zeit, als Pop Art die internationale Kunstszene zu dominieren begann und abstrakt-expressionistische Tendenzen weitgehend verdrängte. Deutlich sichtbar wird der existentielle Anspruch dieser gestischen, abstrakt-expressionistischen Malerei, ein Anspruch, der sich nicht zuletzt in den großen Formaten vieler Hauptwerke dieser Kunstströmung manifestiert.
Die Düsseldorfer Schau, die zahlreiche bedeutende Werke aus amerikanischen und europäischen öffentlichen und privaten Sammlungen präsentiert, ist international ausgerichtet – mit besonderen Schwerpunkten auf Frankreich, hier v.a. Paris, auf die USA, speziell New York, und Deutschland.
Das Ziel der Schau ist nicht nur, den längst überfälligen pointierten Blick auf eine wichtige Epoche der Nachkriegskunst zu werfen, die hier zudem in zahlreichen, zum Teil erstmals präsentierten Dokumenten kontextualisiert wird. Sie will ferner Bühne sein für ein „Fest der Malerei“ und hier Bildern mit frischem, unverstelltem Blick begegnen, die lange aus dem kunsthistorischen Bewusstsein verschwunden waren. (Beat Wismer, Generaldirektor museum kunst palast)
Besondere Bedeutung nehmen innerhalb der Ausstellung die deutschen gestisch-abstrakten Künstler ein – Brüning, Dahmen, Gaul, Götz, Hoehme, Nay, Schultze, Schumacher, Sonderborg, Thieler oder Trier – die in Le grand geste! in einem übergeordneten, internationalen Kontext betrachtet werden können. Schließlich zählen die Genannten zu jener zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratenen „Zwischengeneration“, deren berühmte Schüler – wie Gerhard Richter, der bei Karl Otto Götz, Sigmar Polke, der bei Götz und Gerhard Hoehme, oder wie Georg Baselitz, der bei Hann Trier studierte – der deutschen Kunst in den 1980er Jahren zu Weltgeltung verholfen haben. (Dr. Susanne Rennert)
Dem langjährigen Partner des museum kunst palast – der E.ON AG – ist für die Förderung der Ausstellung besonders zu danken. Das Bild „Elegant Lady, Nr. 5“ von Jackson Pollock gehört zu den Schätzen der E.ON Kunstsammlung. E.ON freut sich, mit diesem Gemälde aus der Firmensammlung sowie mit einem finanziellen Beitrag die Ausstellung Le grand geste! zu unterstützen. Seit genau 10 Jahren sponsert E.ON jährlich Ausstellungen im museum kunst palast, die für die Entwicklung des Museums wichtig waren. Mit der Ausstellung „Le grand geste!“ wird eine spannende und bedeutende Ausstellung ermöglicht, auf die wir uns alle freuen. (Dorothee von Posadowsky, Kulturkommunikation E.ON)
Ein umfassendes Rahmenprogramm mit Vorträgen, ein zweitägiges Symposium in Zusammenarbeit mit der Kunstakademie Düsseldorf sowie ein Jazz-Konzert mit Bobby Few werden die Ausstellung begleiten.