Der Klever Govert Flinck (1615-1660) war einer der am meisten gefeierten Maler seiner Zeit in Amsterdam und einer der herausragendsten Porträtisten des Goldenen Zeitalters holländischer Malerei. Noch heute wird er als einer der berühmtesten und begabtesten Schüler Rembrandts angesehen. Zu Lebzeiten war sein Ruhm größer und übertraf den seines Lehrmeisters bei weitem. Zu seinen Auftraggebern zählte nicht nur das Amsterdamer Patriziat und Magistrat, sondern auch das Haus Oranien, das Haus Brandenburg und der klevische Statthalter Johann Moritz von Nassau-Siegen.
Sein 400. Geburtstag im Jahr 2015 bildet für das Museum Kurhaus Kleve den Anlass, das Werk von Govert Flinck in einer umfassenden Ausstellung zu würdigen, die die erste Retrospektive seit über fünfzig Jahren darstellen wird. Sie wird sein facettenreiches Werk beleuchten sowie seine Nähe und Abhängigkeit zu Rembrandt als auch seine Entwicklung zu einem künstlerisch eigenständigen und erfolgreichen Maler veranschaulichen.
Sowohl an der Biographie als auch an dem überragenden Schaffen von Govert Flinck lässt sich die große Anziehungskraft und Bedeutung Amsterdams in dieser Epoche nachvollziehen. Nach 1600 entwickelte sich dort eine beachtenswerte Kunstszene, die eine große Anzahl bedeutender Maler hervorgebracht hat – zu denen auch Govert Flinck zählt.
Ori Gersht – Govert Flinck – Reflecting History
Govert Flinck genoss zu Lebzeiten eine höhere Reputation als Rembrandt selbst – insofern kann sein Werk als exemplarisches Beispiel hinsichtlich des Wandels ästhetischer Bewertungskriterien gelesen werden. Aufgrund seiner Vernetzung in den führenden gesellschaftlichen Kreisen erhielt Flinck umfangreiche Porträtaufträge, bei deren Realisierung er die Grenzen dieser Gattung souverän auslotete, ohne sie aber jemals zu überschreiten – wie sein Lehrer Rembrandt.
Genau an diesem Punkt setzt der israelische Video-Künstler Ori Gersht (*1967 in Tel Aviv) an, der die Strukturen und Ausprägungen des Flinck‘schen Werks in Hinblick auf den Gehalt an künstlerischer Freiheit untersucht und zu seiner eigenen Position ins Verhältnis setzt. Der seit 1988 in London lebende Künstler Ori Gersht hat sich bereits in vorangegangenen Projekten mit der Ästhetik und Struktur historischer Malerei auseinandergesetzt – beispielsweise mit den faszinierenden Stillleben von Juan Sanchez Cotàn – und sie in eine gegenwärtige Wahrnehmung transformiert. Zwei von Ori Gersht eigens für Kleve geschaffene Werkgruppen zum Thema des historischen Porträts werden die Bilder von Govert Flinck begleiten und die zeitgenössische künstlerische Rezeption der Altmeistergemälde möglich machen.
Ausstellung und Publikation
Die Ausstellung und der begleitende Katalog werden einen neuen und seit langem überfälligen Blick auf das Werk des deutsch-niederländischen Barockmalers Govert Flinck ermöglichen. Dabei wird insbesondere sein Verhältnis zu Rembrandt und seine Einbindung in die gesellschaftlichen Hierarchien der Auftraggeber im Zentrum der Darstellung stehen.
Für die Ausstellung in Kleve werden kostbare Leihgaben aus der ganzen Welt erwartet – aus der Leiden-Collection New York, dem Rijksmuseum Amsterdam, dem Mauritshuis Den Haag, dem Sinebrychoff Museum Helsinki, dem Museum de Lakenhal Leiden, dem Musée des Beaux-Arts Nantes, der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Potsdam, der Staatsgalerie Stuttgart und vielen weiteren internationalen Museen.
Durch die Einbindung des israelisch-britischen Videokünstlers Ori Gersht wird zugleich die Frage nach der Relevanz dieser nobilitierenden Porträtmalerei für uns Heutige gestellt und in analytisch-künstlerischer Weise vor Augen geführt.