Fleisch ist ein ganz besonderer Stoff. Ob in der Kunst, im Film, den Massenmedien oder im Lebensmittelangebot der Supermärkte: Überall treffen wir heute auf dieses organische Material aus Muskel-, Fett- und Bindegewebe, seine veredelten Formen und kulturellen Inszenierungen.
In einem Spannungsfeld zwischen Stillleben-Tradition und Tabubruch, Kadaver und lebendigem Leib, ästhetisch inszenierter Moral und gewaltsamer Manie, dunkler Phantasmagorie und grellem Faszinosum ist das Fleisch zu einer zentralen Ikone der Moderne geworden. Trotz aller Überpräsenz und –repräsentanz bleibt die diskursive Auseinandersetzung mit dem Thema Fleisch einem gesellschaftlichen Tabu unterworfen.
Im Neuen Testament steht das Fleisch am Beginn des christlichen Schöpfungsmythos. Kein Mensch, kein Gott, kein Überleben und auch keine Kunst ohne Fleisch. Als Werkstoff und Symbol für Leben, Tod, Verfall und Mystik zieht es seine blutige Spur durch die Kunstgeschichte seit den Markt- und Küchenstücken der Renaissance. Fleisch, das zentrale künstlerische Vanitas-Motiv, ist in der westlichen Konsumwelt zum erstrangigen Nahrungsmittel, zum Rohstoff von Body-Design und zur gentechnischen Ressource geworden. Damit öffnet sich ein weites Feld an Motiven und inhaltlichen Kontexten, die in dieser Ausstellung beleuchtet werden sollen.
In einem ambivalenten Spannungsfeld zwischen Faszination und Provokation thematisieren unterschiedliche Positionen der Body Art, Performance-Kunst, Bildhauerei, Malerei, Fotografie und Video-Kunst den organischen Werkstoff Fleisch als lebendiges plastisches Material, formal-ästhetisches Motiv und Ausdrucksmittel existentieller Befindlichkeiten, als Symbol der Katharsis und Topos für Aggression, Vitalität, Tod und Konservierung, als Sinnbild für Triebhaftigkeit und körperlichen Gestaltungswillen sowie als Metapher der Vergänglichkeit und Metamorphose.