Der Bildhauer Peter Buggenhout kreiert rätselhafte Objekte von undefinierbarer Beschaffenheit – immer wieder ähnliche und doch mutierende, amorphe Materialassemblagen, voluminöse, teils raumgreifende Akkumulate aus vielerlei Werkstoffen. Sie entstehen aus den kläglichen Hinterlassenschaften der Menschheit, nicht zu verarbeitenden Reststoffen der Gesellschaft. Seine Arbeiten scheinen in einem Zustand zwischen Realität und Imagination verhaftet zu sein. Oftmals bilden mythologische, philosophische oder biblische Referenzen die Grundlage für sein Schaffen.
Die Werkreihe The Blind Leading The Blind (Blinde, von Blinden geführt) umfasst gigantische Körper, die mit dicken Schichten dunklen Staubs überzogen sind. Die Konsistenz der Oberfläche verschluckt das Licht. Sie sehen aus als wären sie Wracks aus den Tiefen der Meere geborgen, zumindest scheinen sie aus einer anderen Welt zu stammen, in ihrer Zeit gefangen, im Verfall konserviert zu sein. Dieser Eindruck materialisiert sich durch den Staub, der als Inkarnation von Zeit fungiert, den Stillstand markiert.
Mont Ventoux heißt eine Skulpturengruppe, die fast landschaftliche Züge aufweist – durch ihre schwer erfassbare Oberfläche von gegerbten, umgestülpten und ausgestopften Kuhmägen, die in sich schon visuelle Landschaften sind.
Mit Gorgo betitelte Arbeiten formieren eine Serie von kleinformatigeren Plastiken, deren charakterisierende Substanz aus in Schweineblut und Teer getränktem Rosshaar besteht. Ihr Titel knüpft an die unheilvollen Medusen der griechische Mythologie an. Auch Buggenhouts Fabelwesen scheinen unserer Welt entrückt, als wären sie zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres eigenen Verwesungsprozesses erstarrt.
Mit On Hold präsentieren sich jene ominösen farbigen Objekte, die aus angeschwemmten, übrig gebliebenen und gefundenen Materialien bestehen, sie werden in Verbindung mit aufgeblähten Objekten unter Spannung gesetzt.
Peter Buggenhouts Werke wirken wie überlieferte Artefakte, wie Relikte aus einer anderen Zeit, als Akkumulationen menschlicher Spuren aus der fernen Zukunft betrachtet. Ihre massive physische Präsenz gebärdet sich im Zeitalter der Entmaterialisierung tröstlich anachronistisch, sie erweisen sich als mystische und vor allem analoge Kommentare zu einer sich in der Globalisierung nivellierenden, digitalen Welt. Als eigenwillige Charaktere erscheinen sie uns in der Deklination zwischen Erschaffung, Transformation, Ordnung und Chaos. Autonom und hermetisch zugleich. Seine Skulpturen sind reich an Entdeckungen, doch die visuelle Speicherung ihres Abbildes entzieht sich den Kapazitäten unseres Gedächtnisses. Der Titel der Ausstellung Kein Schatten im Paradies spielt lose auf Platons Höhlengleichnis an, in dem die Schatten als Metapher zur Vortäuschung von Realität fungieren. Bei Peter Buggenhout geht es immer wieder um die Darstellung der Realität in ihrer ganzen schonungslosen Offenbarung, als deren Bildnis seine Werke zu verstehen sind.
Das Neue Museum richtet in Deutschland die erste Einzelausstellung des international vielfach gezeigten, belgischen Künstlers Peter Buggenhout (geb. 1963, lebt und arbeitet in Gent) aus. Ein Querschnitt seines Schaffens mit neuen großformatigen Werken und räumlichen Setzungen sind im Ausstellungssaal und im Sammlungsbereich zu sehen.