© andreas130 / www.fotolia.de
KULTURpur - Wissen, wo was läuft!

Schloss Ritzebüttel


Im Schloßgarten
27472 Cuxhaven
Tel.: 04721 72 18 12
Homepage

Öffnungszeiten:

Mo-Do 10.00-13.00 Uhr
Sa,So 11.00-15.00 Uhr
Di-Do zusätzl.
14.00-17.00 Uhr

Freiheit

02.09.2012 - 28.10.2012
Nach der erfolgreichen Auftaktveranstaltung „Junge Fotografie im Schloss Ritzebüttel“ in Cuxhaven im Frühjahr 2011 mit Arbeiten von Margret Hoppe und Johanna Diehl wird die Reihe in diesem Herbst fortgesetzt. Ab dem 2. September bis Ende Oktober 2012 sind in dem Ausstellungssaal im Schloss Ritzebüttel die fotografischen Positionen von vier jungen Künstler/innen zum Thema „Freiheit“ zu sehen.
Der Begriff „Freiheit“ wird in der Geschichte ganz unterschiedlich interpretiert: Die Grundlage für die neuzeitliche Definition wurde in der Zeit der Aufklärung Mitte des 18. Jahrhunderts und während der Französischen Revolution 1789 gelegt. Heute ist „Freiheit“ ein Grundbegriff moderner Demokratien und zählt zu den wichtigsten Menschenrechten.
Aus der Fülle der eingegangenen Bewerbungen für die Ausstellung, die deutschlandweit ausgeschrieben war, hat die Hamburger Kuratorin Erle Bessert drei junge Fotografinnen und einen Fotografen – die Bewerber/innen mussten unter 35 Jahre sein – ausgewählt, die sich auf ganz unterschiedliche Weise mit dem vorgegebenen Thema „Freiheit“ auseinandergesetzt haben.
Der 1979 in Herne geborene und heute in Berlin lebende Fotograf Jörg Brüggemann studierte digitale Medien an der Hochschule für Künste in Bremen und ist seit 2009 Mitglied bei der Agentur OSTKREUZ. Seine Abschlussarbeit „Same Same But Different“, die in den Jahren 2006-2008 entstand, ist eine Dokumentation über Backpacker in Asien und Südamerika.
Für viele Menschen ist eine Reise um die Welt der Inbegriff von Freiheit. Nur mit einem Rucksack bepackt und dem Nötigsten ausgestattet, sich einfach treiben zu lassen und sich ohne Zwang, zwischen verschiedenen Möglichkeiten auswählen und entscheiden zu können, davon träumt nicht nur so manch ein Jugendlicher.
Der Rucksacktourismus verstand sich ursprünglich als Alternative zum Massentourismus. Die Weltenbummler wollten fremde Orte individuell erkunden, die Unterkünfte sollten preiswert sein und lagen deshalb zumeist abseits der üblichen Hotelburgen der Pauschaltouristen. Wichtig war den Reisenden der enge Kontakt zur einheimischen Bevölkerung und damit auch das Kennen lernen fremder Kulturen. Jörg Brüggemann jedoch hebt in seiner Fotodokumentation schonungslos mit diesem romantischen Klischee auf. Seitdem 1973 der Reiseführer South-East Asia on a shoestring (bekannt unter Lonely Planet) erschien, in dem die Routen vorgezeichnet sind, entstanden touristische Infrastrukturen wie Hotellerie und Gastronomie, die sich eigens auf diese Reiseform einstellten: Aus einer Individualreise ist im Laufe der Zeit eine Touristenattraktion geworden, bei der das Gefühl von Freiheit immer mehr verloren geht und der Begriff Freiheit eher den Beigeschmack von Hemmungslosigkeit bekommt.
Nur wenige der Fotos, die auf dem ersten Blick wie Schnappschüsse wirken, geben noch den ursprünglichen Charme einer möglichen Rucksack-Romantik wider, wie das Ausruhen an einem Kamelrücken und der Weite einer Sandwüste im Bildhintergrund oder der Mann in Rückenansicht mit Blick über das endlose Meer, á la Caspar David Friedrich. Stattdessen sind Joints und Strandpartys angesagt, die überall auf Mallorca, Ibiza oder an deutschen Stränden stattfinden können und bei denen jedoch der einzelne Mensch in der Masse unterzugehen scheint.
Sandy Worm (*1977 in Berlin) studierte am Liverpool Institute for Performing Arts in England und war danach als Kulturmanagerin tätig, 2009 nahm sie ein Fotografie-Studium an der Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design in Halle auf. Sie und ihre Kommilitonin Alina Simmelbauer (*1981 in Sömmerda), die einen Abschluss in Kultur- und Medienpädagogik an der Fachhochschule Merseburg vorweisen kann, haben im Rahmen einer Semesterarbeit getrennt voneinander jeweils eine Porträtserie mit dem Titel „FRHT09“ erarbeitet.
Als 1989 die Mauer fiel, ging neben all dem Chaos und dem Freudentaumel das Leben aber auch ganz normal weiter: Kinder wurden geboren. Doch was ist heute aus diesen Kindern geworden? Die Serien von Sandy Worm und Alina Simmelbauer bestehen aus Porträts und Textbeiträgen von Jugendlichen, die im Jahr des Mauerfalls in Halle zur Welt kamen und sich Gedanken zum Thema Freiheit machen. Was bedeutet heute für einen Jugendlichen, der die Zeit eines getrennten Deutschlands nur aus Erzählungen aber aus eigener Anschauung selbst nicht kennt, der Begriff Freiheit? Zwanzig Jahre später erlebt diese Generation die verfassungsgemäß garantierte Freiheit als einen ganz selbstverständlichen Wert. Reisen, Führerschein machen, Unabhängigkeit, Demokratie sind nur einige der Stichworte, die den Jugendlichen in den Sinn kommen, aber auch Individualität und Akzeptanz oder auch nur einfach auf dem Sofa sitzen mit dem Gefühl eines kurzen Momentes der inneren Zufriedenheit.
„Auch wenn beide Serien ähnlich aufgebaut sind“, so erläutert die Kuratorin Erle Bessert, „der Porträtierte schaut frontal in die Kamera und ein dazugehöriger Textteil mit den jeweiligen Aussagen der Jugendlichen, gibt es Unterschiede in der Umsetzung und zeigt auf interessante Weise wie verschieden an ein Thema herangegangen werden kann. Alina Simmelbauer benutzt das für Porträts übliche Hochformat, die Personen sind bekleidet und bis zur Taille vor einem grauen Bildhintergrund zu sehen, Sandy Worm dagegen gebraucht das sonst für Landschaften verwendete Querformat und ihre Probanden sind schulterfrei vor einer weißen Wand abgebildet. Durch das Querformat kann sie näher an die Personen herangehen, nichts lenkt mehr vom Porträtierten ab.“
Die jüngste im Bunde ist Constanze Kratzsch. 1984 in Bergen auf der Insel Rügen geboren, hat sie zunächst eine Ausbildung zur Grafikdesignerin absolviert und studiert seit 2010 an der Neuen Schule für Fotografie in Berlin.
In der Serie „BETON-SPIEGEL“ von 2009, genau 20 Jahre nach dem Mauerfall, fotografiert Constanze Kratzsch über einen Monat lang die Besucher der Open-Air-Ausstellung „20 Jahre Mauerfall“, einer mit großen plakatartigen Geschichtsfotos ausgestatteten Dokumentationsausstellung am Berliner Alexanderplatz und am Checkpoint Charlie. In Constanze Kratzschs Arbeit geht es um die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Es ist eine Spiegelung, wobei der Ausstellungsbesucher im Vordergrund das Bild im Hintergrund reflektiert. Die DDR-Bilder und der Mensch im Vordergrund werden dabei Eins. Dieser surreale Moment, wenn die Gegenwart und die Vergangenheit zu einem Bild verschmelzen und der Betrachter der Open-Air-Ausstellung unbewusst selbst zum Akteur im Bildhintergrund wird, lässt den Mauerfall als ein Sinnbild für Freiheit werden.

KULTURpur empfehlen