08.05.2010 - 24.10.2010
Anlässlich des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 65 Jahren betritt das Museum Neuland und stellt erstmals das Leben der Kinder gegen Ende des Krieges und zu Beginn der Nachkriegszeit in den Mittelpunkt
In 14 Vitrinen werden nahezu 300 Exponate gezeigt, die dem Museum teilweise von Freiberger Bürgern zur Verfügung gestellt wurden. Vier Meter hohe Textfahnen, informieren mit viel regionalem Bildmaterial ausgestattet, die Besucher über die Nachkriegszeit.
Wer über einen nach gestalteten Luftschutzkeller den Ausstellungsraum betritt, sieht u.a. einen Rundfunk-Volksempfänger, die Jacke eines KZ-Häftlings, Schulbücher mit Nazi-Propaganda, Bombensplitter, Spielzeug mit NS-Darstellungen, Dokumente, einen Kindermantel aus der Kriegszeit, viele Fotos, Gegenstände aus dem Bereich der Hitlerjugend und selbst gebasteltes Spielzeug aus der Zeit nach dem Kriegsende, wie einen Teddy aus Militärstoff.
Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Führungen, Vorträgen und Stadtrundgängen. Am 2. September zeigt das Museum in Anwesenheit der Regisseurin Anna Schmidt den Film „Irische Orangen“. Er erzählt über eine einzigartige Hilfsaktion, die über 1000 Kinder aus kriegszerstörten Gebieten vor dem Hungertod bewahrte.
Das Museum spürt vielen Fragen nach, etwa: Wie spielten die Kinder? Welche Auswirkungen hatte der Krieg auf ihr Leben? Wie wirkte die NS-Ideologie auf die Kinder? Zugleich befassen sich die Ausstellungsmacher mit der Nachkriegszeit. Aus dem Blickwinkel der Kinder gilt es beispielsweise zu beleuchten, wie sich der radikale politische Umbruch bei den Kindern bemerkbar machte, wie sie ihre Freizeit gestalteten, wie sie sich ernährten oder welches ambivalente Verhältnis sich zur russischen Besatzungsmacht entwickelte.
Viele erschütternde Berichte und eindrückliche Schilderungen erhielt das Museum bei der Ausstellungsvorbereitung. So erfuhren die Museumsmitarbeiter von Schülern, die bei dem amerikanischen Luftangriff am 7. Oktober 1944 auf Freiberg getötet wurden, von Heranwachsenden, die noch am Kriegsende im Volkssturm kämpfen mussten und von der Angst der Kinder vor der Roten Armee, die am 7. Mai 1945 die Macht in Freiberg übernahm.
Einen besonderen Leidensweg mit ständigen Demütigungen, Schikanen und Todesangst mussten jüdische Freiberger Kinder gehen. Unter den zu unmenschlicher Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie Freibergs eingesetzten weiblichen jüdischen Häftlingen aus dem KZ Auschwitz waren auch solche, die sich gerade erst im frühen Jugendalter befanden. Zu den Erlebnissen, die sich den damaligen Freiberger Kindern tief eingebrannt haben, gehören die Abwesenheit der Väter, die im Krieg kämpften und in Kriegsgefangenenlagern interniert waren, der Hunger in der Nachkriegszeit oder auch anfängliche Plünderungen und Vergewaltigungen durch die Besatzungssoldaten.
Die Zeitgenossen berichten aber auch vom Spielen in diesen Zeiten, von ihren Pflichten bei der Versorgung ihrer Familien und der Solidarität der Menschen. Aus den Erinnerungen an die Schrecknisse des Krieges und der damaligen Erziehung erwuchsen ein unbedingter Friedenswille und das Pflichtbewusstsein, als Erwachsene ihren Beitrag für den Wiederaufbau und für eine humanistische Erziehung ihrer Kinder zu leisten. Keiner der damaligen Kinder kann sich der Erinnerung an ihre Kindheitserlebnisse entziehen, manche leiden bis heute tief an den seelischen Wunden.
Die Ausstellung möchte einen Beitrag leisten zur Aufarbeitung dieser vergessenen Zeit aus Sicht der damaligen Kinder. Die Freiberger Kinder stehen dabei stellvertretend für die heranwachsende Generation in anderen Städten, deren Schicksal in den 1940er Jahren nachzuspüren, ebenfalls eine Verpflichtung für die Nachgeborenen sein sollte.Wenn auch eine ganze Reihe von Daten zur Problematik der Kriegkinder-Generation gesammelt werden konnte, so müssten sich jahrelange intensive Forschungsarbeiten anschließen, um zu einem umfassenden und ausgewogenen Bild über die hier angerissene Thematik zu kommen. So umfasst die Ausstellung trotz aller Bemühungen um Objektivität notgedrungen auch eine subjektive Seite.
Viele Personen wirken an den Ausstellungsvorbereitungen mit, so Rainer Frommann aus Nauen, Gunther Galinsky und Günther Aßmann aus Freiberg sowie viele weitere Freiberger Einwohner. Ebenso halfen ehemalige Freiberger mit Informationen und Sachzeugen.