Stephan Dillemuth verkörpert unterschiedliche Rollen: den Fernsehmoderator, der ein Video von Stephan Dillemuth ankündigt; den Maler, der rauchend der Inspiration harrt; Friedrich Nietzsche, der gegen Richard Wagner ätzt und – in seiner dauerhaften Rolle – den Professor für Kunstpädagogik an der Münchener Akademie der Bildenden Künste.
Die Rollen, die Künstler und Künstlerinnen gesellschaftlich und innerhalb des Kunstsystems übernehmen, sind ein Dreh- und Angelpunkt der Arbeit des in München und Bad Wiessee lebenden Künstlers und Lehrenden. Unter Verwendung einer ergebnisoffenen und häufig kollektiven Forschungsmethode, die er als 'bohemistisch' bezeichnet, nimmt er Formen möglicher künstlerischer Lebens- und Arbeitsweisen wie die Lebensreformbewegung, die Münchner Boheme, das Arbeitertheater oder die Kunstakademie unter die Lupe. Spielerisch, also mit den Mitteln der Kunst und Lehre, untersucht Dillemuth die aktuelle Wandlung des Öffentlichkeitsbegriffs: was bedeuten Kunst und Künstlersein in einer von aggressiver globaler Wirtschaft geprägten Zeit, die Dillemuth auch als 'Corporate Rokoko' bezeichnet? Was heißt es, heute in dieser Öffentlichkeit zu stehen oder stehen zu wollen?
Bayern, als biografische wie historische Reibungsfläche, tritt in seinen Arbeiten über die Jahrzehnte wiederholt in Erscheinung. Dillemuths frühe Gemälde basierten auf regional spezifischem Kitsch: Postkartenmotive von Paaren und Kindern in Tracht, die Schönheitengalerie aus dem Schloss Nymphenburg und Südtiroler Engel. Am Lenbachhaus treffen diese frühen Bilder auf Installationen der 2000er-Jahre. Dillemuths Installation »Erfolg« aus dem Jahr 2007 lehnt sich an den gleichnamigen Roman von Lion Feuchtwanger von 1930 an. Feuchtwanger beschrieb in seinem Buch über die frühen Jahre der Weimarer Republik und den Aufstieg der Nationalsozialisten eine staatliche Mechanik, die der gescheiterten kommunistischen Revolution den 'Ausnahmezustand' eines bürokratischen Apparats entgegensetzt. In »Erfolg« führt Dillemuth das Zahnrad als zeitlose Metapher für ein gut geöltes System in sein Formenrepertoire ein. Kreaturen aus Zahnrädern und Körperabgüssen bevölkern auch seine aktuellen Installationen, deren glänzenden Oberflächen in Anlehnung an die Prachtkabinette des Barock und Rokoko, Werke und Betrachter in ein narzisstisches Spiel unendlicher Spiegelung verwickeln.