Ohne Frage ist die Fotografie ein allgegenwärtiges und alltägliches Medium. In vielen Bereichen wird ihr eine bedeutende Rolle zugesprochen, in der Werbung, der Mode und im Journalismus, in Museen und Archiven, für die Dokumentation von persönlichen als auch geschichtlichen Ereignissen – und nicht zuletzt in der Bildenden Kunst. Lange Zeit galt die Fotografie allerdings nicht als anerkannte Kunstgattung, ihre Akzeptanz musste sie sich erst mühsam erkämpfen. Auf Künstlerinnen und Künstler übt sie jedoch schon seit ihren Anfängen eine geradezu magische Anziehungskraft aus.
Die umfangreiche Überblicksschau "fotokunst aus der sammlung" präsentiert verschiedene fotografische Positionen aus den Beständen der Städtischen Galerie Karlsruhe. Dazu gehören die Kunstsammlung von Ute und Eberhard Garnatz wie auch die Stiftung Fotografische Werke Sigmar Polke aus der Sammlung Garnatz. Das Sammlerehepaar erkannte früh das Potenzial der Fotografie und trug mit Gespür für Qualität, mit Mut und Konsequenz Werke renommierter Künstlerinnen und Künstler zusammen. Sie legten eine Kollektion an, die signifikante Entwicklungen der Fotografie aufzeigt. Im Mittelpunkt stehen die Kölner und Düsseldorfer Kunstszene mit Bernd und Hilla Becher, die ihre unverwechselbare Sprache an ihre Schülerinnen und Schüler, u. a. an Andreas Gursky, Candida Höfer, Axel Hütte, Thomas Ruff und Thomas Struth weitergaben. Auch Lichtbildserien von Anna und Bernhard Blume, Jürgen Klauke und experimentelle Fotokunst von Sigmar Polke und Arnulf Rainer sowie Schwarz-Weiß-Portraits von Benjamin Katz sind Teil der Sammlung.
Die Präsentation zeigt international etablierte sowie aus Karlsruhe und Umgebung stammende Künstlerinnen und Künstler und bietet einen repräsentativen Überblick über den reichen Bestand der Sammlung. Es finden sich unterschiedliche Fotoauffassungen, ein variationsreiches Spektrum an Motiven und eine große Vielfalt in der angewandten Technik und Arbeitsweise vorwiegend von den späten 1960er Jahren bis zur unmittelbaren Gegenwart.
Der Rundgang durch die in fünf thematische Abteilungen gegliederte Ausstellung – mit spannenden Einzelpositionen – beginnt mit der bildlichen Dokumentation künstlerischer Performance und Installation. Jedoch sind diese Fotografien nicht allein als Zeugnis physisch abwesender Werke oder vergangener Aktionen zu betrachten, ihnen ist vielmehr ein unabhängiger künstlerischer Wert eigen. Anna und Bernhard Blume beispielsweise hinterfragen mit skurrilen und von Doppeldeutigkeit geprägten Inszenierungen die scheinbare Objektivität der Fotografie, Jürgen Klauke thematisiert mit seinen Fotosequenzen gesellschaftliche Zwänge und Normen.
Im offenen Lichthof werden die weiteren vier Themenfelder mit großformatigen Werken und Serien aus der Sammlung und Stiftung Garnatz präsentiert und strahlen von dort in die umliegenden Räume aus. Auch stehen sich hier zwei unterschiedliche Positionen gegenüber: die konzeptuelle und die experimentelle Fotografie. Einen großen Bereich nimmt die sachlich-dokumentarische Aufnahme im Außenraum ein. Gezeigt werden typologische Serien von Industriebauten der Bechers, die alle konsequent den gleichen Prinzipien folgen, aber auch urbane Landschaften, städtische Impressionen und Phänomene sind zu sehen.
Der Rundgang führt weiter zu Arbeiten, die den privaten und öffentlichen Innenraum – Ausblick als Bildinhalt haben. Candida Höfer wandte sich in den 1980er Jahren der fotografischen Wiedergabe von Innenräumen zu. Umfangreiche Serien zu Bibliotheken, Kurhäusern, Hörsälen, Konzerthäusern, Cafés oder Museen entstanden. Nicht nur der Raum und seine Funktion, sondern auch die Auseinandersetzung mit strukturellen Elementen, poetischen Annährungen und die Wechselbeziehung von Innen- und Außenraum sind für zahlreiche Kunstschaffende Thema.
In der nächsten Abteilung steht der Mensch im Fokus. Die einstige Reportagefotografin der FAZ, Barbara Klemm, hält in einfühlsamen schwarz-weißen Portraits Künstler, Musiker und Intellektuelle fest, während Benjamin Katz mit seinen Schnappschüssen eindrucksvolle Einblicke in die Kölner Kunstwelt der 1970er und 1980er Jahre liefert. Doch nicht nur atmosphärisch dichte, subjektive Darstellungen, sondern auch sachlich-objektive Aufnahmen von Personen werden ausgestellt.
Den Abschluss des Rundganges bilden experimentelle Fotoarbeiten. Ein bedeutender Vertreter dieser Gruppe ist Sigmar Polke. Herkömmliche, handwerkliche Regeln werden bewusst negiert. Mit großer Freiheit und unkonventionellen Methoden verhandeln die Künstlerinnen und Künstler die unerschöpflichen Möglichkeiten der Bildgestaltung neu. Die Experimente reichen von kameralos hergestellten Fotogrammen, Manipulationen und Bemalungen über Unterbrechungen des Entwicklungsprozesses bis hin zu speziellen Fotokopiertechniken. Allzu schnelle Gewissheiten und Sehgewohnheiten werden mit spielerischer Leichtigkeit ins Wanken gebracht.
Die etwa 140 Exponate umfassende Auswahl offeriert in dieser Zusammenstellung, die Vertrautes, Fremdes und Unerwartetes beinhaltet, neue Anschauungs- und Denkräume. Die Aufmerksamkeit wird nicht nur auf das jeweils Besondere einer Fotoarbeit gelenkt, auch überraschende Dialoge und Wechselwirkungen stehen im Blickfeld.