08.03.2008 - 13.04.2008
Der Radierzyklus Miserere des französischen Spätexpressionisten
Georges Rouault umfasst 58 Blätter, die zu den Meisterwerken
europäischer Druckgrafik zählen. Ihre Entstehungszeit liegt zwischen den Jahren 1912 und 1927. Die Blätter gelten in der kunsthistorischen Literatur als Quintessenz im Schaffen des Künstlers Georges Rouault, da seine charakteristische Formensprache und seine zentralen künstlerischen Sujets in strenger Verknappung und auf meisterlichem Niveau verdichtet anzutreffen sind. Georges Rouaults Werk, das unter den Malern der Moderne eine Sonderstellung einnimmt, ist stark geprägt von der Wahrnehmung einer Sinnkrise, die weite Teile der Bevölkerung um die Jahrhundertwende erschütterte, und es spricht daraus eine große Verzweiflung angesichts des zunehmenden Verlustes menschlicher Werte.
Durch die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs verstärkt, zeichnet sich Rouaults künstlerisches OEuvre aus durch mahnende Anklage
an die Betrachter.
Geistesgeschichtlich zählt Georges Rouault zum Kreis der Reformbewegung „renouveau catholique“, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die moralische und soziale Depression ihrer Zeit zu überwinden. In besonderer Gegnerschaft sah sich diese Reformbewegung zum Materialismus und Positivismus, angestrebt
wurde eine Erneuerung aus christlichem Geist, eine Wiederbelebung religiöser Werte und kirchlicher Aktivitäten. Glaubensgewissheit, soziales Bewusstsein und eine tiefe existentielle Spiritualität sprechen aus der in dunklen Farbschattierungen gehaltenen Serie „Miserere“, in der das irdische, menschliche Leid in Beziehung zur christlichen Passionsgeschichte gesetzt wird.
