27.11.2009 - 14.02.2010
Markus F. Strieders künstlerische Haltung ist ungewöhnlich und unverwechselbar. Schmieden und Walzen – das sind die Techniken des Bildhauers, der seine dunkel-schwarzen, kompakten und hoch verdichteten Plastiken aus Stahl und seine silbrig-schwarzen, offenen, zu nestartigen Knäuel verschlungenen >Linien< aus Reineisen ausschließlich in der industriellen Freiformschmiede und in kleineren Walzwerken formt. Markus F. Strieder arbeitet unmittelbar mit und in >seinen< Materialien, d.h. er vertraut ganz auf die Mittel und Möglichkeiten des Stahls und des Reineisen. Das Ergebnis sind überaus sinnliche, erstaunlich vielgestaltige, individuell geformte und aller Schwere entkleidete Plastiken, die im Raum selbstbewusst ihren Platz einnehmen. Im erweiterten Feld der zeitgenössischen Plastik hat sich Markus F. Strieder mit diesen autonomen Arbeiten und seinem zwischenzeitlich umfänglichen Werk einen eigenständigen Platz erarbeitet.
Strieders Ansatz bedeutet zunächst einmal Verzicht: Strieder gießt nicht, vervielfältigt nicht, schweißt nicht, stückt nicht an, patiniert nicht, vermengt seinen Stahl nicht mit anderen Metallen, bearbeitet kaum nach. Dieser Bildhauer arbeitet nicht über Umwege. Seine Arbeit meint, im Team mit spezialisierten Arbeitern, die direkte Auseinandersetzung mit den Realitäten des Materials und der Technik: das Bearbeiten der Werkblöcke durch Hämmern und Pressen in der Freiformschmiede; das Walzen und Einschießen der Stäbe in Rundtonnen im Walzwerk. Aus der Fülle der Bearbeitungsspuren und individuellen Formungen, d.h. aus dem gestalterischen Prozess, der Ecken und Kanten hinterlässt, erwächst die Vielfalt, die Strieders reduzierten Plastiken auch dann eigen ist, wenn mehreren dieselbe Grundform eignet. Darin sind sie Individuen vergleichbar. Hinzu kommt die Potentialität und Leichtigkeit dieser Arbeiten, die sich – geradezu gegen das Material, das doch für Dauer und Festigkeit steht – scheinbar aus ihrem Inneren heraus beweglich, mitunter geradezu paradox wandelbar zeigen.
Man kann Strieders Arbeiten, die den ganzen wahrnehmenden Leib erfordern, verstehen als sinnliche Manifestationen gegen die geschrumpfte Welt. Stoff und Material einerseits, Form und Gestalt andererseits – das waren und sind, nicht nur in der Bildhauerei, alte Gegensatzpaare. Die Überwindung dieser Gegensätze, d.h. die unauflösliche Verbindung zwischen Material und Form herzustellen, ohne dabei die sinnliche Spannung zwischen Stoff und Gestalt aufzulösen, das ist es, was Markus F. Strieders Position im Feld der reduzierten Bildhauerei unverwechselbar macht.
Die Ausstellung im Städtischen Kunstmuseum Singen, in welcher vorwiegend neue, auch große Arbeiten aus den letzten Jahren gezeigt werden, kombiniert in der Präsentation Einzelwerke des Bildhauers mit mehrteiligen Akkumulationen und wird ergänzt um neuere Tuschzeichnungen, die der Graphiker Strieder, auch hier wiederum ganz seinen Mitteln (Tusche als Material, Pinsel, Besen, Rakel, unterschiedlichste Papiere) vertrauend, experimentell und prozessual anlegt.
Markus F. Strieder wurde 1961 in Innsbruck (A) geboren und studierte von 1984 bis1990 Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart (D). Wie bei Gert Wiedmaier, den das Städtische Kunstmuseum Singen zuletzt mit der Ausstellung >Blickwechsel< in seinen Räumen präsentierte, resultiert Strieders erste, seit jener Zeit vertiefte Berührung mit Singen (Hohentwiel) aus dem Symposium der Klasse Jürgen Brodwolf 1993 im Alten Umspannwerk. Der Künstler, in der Euregio Bodensee durch die Vermittlung einer seiner Galerie und mit Arbeiten, auch im Außenraum, präsent, lebt und arbeitet in St. Julien Molin Molette (F). Die Singener Ausstellung, mit der das Städtische Kunstmuseum Singen das Jubiläumsjahr zum zwanzigjährigen Bestehen des Museums 2010 einläutet, ist die erste große Überblicksausstellung des Bildhauers Strieder in einem deutschen Museum.
Zur Ausstellung erscheint eine Publikation, die Fotostrecken sowohl der Herstellung der Plastiken in der Schmiede, als auch Arbeiten im öffentlichen Raum und Abbildungen neuerer Tuschezeichnungen vereint. Da die Publikation die Präsentation der neu geschaffenen Plastiken in den Räumen des Städtischen Kunstmuseums Singen dokumentiert, erscheint diese erst unmittelbar nach der Eröffnung.