19.04.2009 - 07.06.2009
Eine Ausstellung des Liu Haisu Art Museum, Shanghai, ein Beitrag zum Jahr der Graphik in Nordrhein-Westfalen
Der chinesische Titel der Ausstellung "XI MO & MO XI" (Play Ink & Ink Play) lehnt sich eng an die Bedeutung des Wortes "XI" an, das sowohl "Verspieltheit" wie auch "traditionelle Oper" bedeutet. Diese Doppelung stellt eine subtile Verbindung zwischen der chinesischen Tuschzeichenkunst und der traditionellen chinesischen Oper dar, die die zehn in der Ausstellung vertretenen Maler der Moderne für sich entdeckt haben.
In anderen traditionellen Kunstformen wie der Porzellan-Malerei, in der Herstellung von Spielzeugfiguren oder der Papierschnittkunst ist die Darstellung des Theaters ständiger Bestandteil. Das Wesen der chinesischen Oper macht ihre streng choreographierten Abläufe mit einer hoch formalisierten Zeichensprache aus. Gerade die Klarheit, die Pracht und die Einzigartigkeit der visuellen Komponenten der Oper bieten den Tuschzeichnern für ihre Umsetzung der "theatralen" Vorgänge auf dem Papier viele Möglichkeiten. Das Spiel von Körper und Kostüm ermöglicht es den Künstlern in besonderer Weise Bewegung und Emotionalität auszudrücken.
Trotz der Tendenz vieler zeitgenössischer chinesischer Maler zu nahezu zwanghafter Modernität aus Furcht - gerade auch in den Augen westlicher Betrachter - nicht zeitgemäß zu sein, besinnt sich die chinesische Kultur zunehmend auch wieder auf die reichen Schätze ihrer Volkskunst. Ihr Ursprung ist schon in frühgeschichtlichen Epochen belegt und wurde bis heute ununterbrochen fortgeführt, wie die Bedeutung der Oper im modernen China belegt. Diese Popularität der Oper ist aber auch auf die Eindeutigkeit ihrer Zeichen, ihres Humors, der Akrobatik, der Verwendung von Dialektsprache und ihrer symbolischen Verdichtung wie auch wegen ihrer Tendenz, die Volksmeinung geradeheraus zum Ausdruck zu bringen und den Volksgeschmack wider zu geben, zurückzuführen. Die Tuschzeichnungen der chinesischen Oper verbinden also zwei Traditionslinien und tragen wesentlich zur Bildung einer eigenen nationalen Identität bei.
Qualität und Verbreitung der Operndarstellungen erreichten ihren Höhepunkt während der Ming-Dynastie (1368 - 1644), verfielen aber mit dem Aufstieg der Qing-Dynastie (1644 - 1911), als unter der diktatorischen Politik die Oper verpönt war. Mit dem Auftreten der Darstellung von Opernfiguren im Werk Guan Liangs (1901 - 1986) haben in der Moderne die künstlerischen Formen der Oper an Farbigkeit und Fülle zugenommen. Nicht mehr darauf beschränkt, die Handlung der Oper zu beschreiben, erlauben die Opernmotive den Künstlern mehr subjektive Schöpfungen.
Die Tuschzeichnungen zur Oper eröffnen den modernen chinesischen Malern auf der einen Seite durch die besondere Ausdruckskraft und formale Schönheit einen schöpferischen Freiraum, während auf der anderen Seite die Ausdrucksfähigkeit der Tuschmalerei und die impressionistischen Ausdrucksformen die Bedeutung der Oper als Gegenstand der Malerei steigern.
Guan Liangs Opernfiguren gaben schließlich die alte Formel von den "Achtzehn Umrisslinien" auf (achtzehn festgelegte Pinselstriche für die Art, Gewänder zu zeichnen). Dadurch erreichte er unerwartete Effekte mit einfachen und lebendigen Strukturen und einem impressionistischen Stil.
Mit Guan Liang erreicht die bildliche Darstellung der Oper eine neue Ära. Auf seinen Erfahrungen aufbauend geben die jüngeren Maler wie Lin Fengmian (1901 - 1991) , Cheng Shifa (1921 - 2007), Ding Liren (1930), Nie Ganyin (1936), Zhu Zhengeng (1939), Zhang Guiming (1939), Zhang Peicheng (1948), Zhou Jingxin (1959), einen Ausblick, der auch dem Publikum jenseits einer traditionellen und oberflächlichen Betrachtung einen neuen Weg des Verständnisses weist.
Es gibt eine unterschwellige Übereinstimmung zwischen den ausdrucksstarken Formen der chinesischen Malerei und der Oper. So wie die Oper ihren Ursprung in Gesang und Tanz hat, übernahm die Operndarstellung den Bewegungsausdruck und drückte alle Situationen über Handlung und Objekte aus, und die Dynamik und Leidenschaft konnte durch die Linie überaus flüssig und angemessen ausgedrückt werden. Sowohl die chinesische Oper wie auch die chinesische Malerei verfolgen eine Übereinstimmung im Gehalt nicht nur in der Form. Wie die Opernmaske den Charakter der Rolle mehr als ihre bloße Erscheinung widerspiegelt, bemüht sich die chinesische Malerei, den Gehalt wider zu geben und nicht die exakte Farbigkeit nachzuahmen.
Die Ausstellung des Liu Haisu Kunst Museums in Shanghai mit Werken von zehn zeitgenössischen Malern macht ein internationales Publikum mit diesem Phänomen bekannt und trägt damit zum kulturellen Austausch bei.
Parallel zu dieser Ausstellung zeigt das Theatermuseum unter dem Titel "Hinter den Kulissen der Peking Oper" eine Auswahl von Fotografien von KM Udo Remmes. Der Düsseldorfer Fotograf bereiste im Jahr 2005 China und hatte die Chance, Schauspieler, Sänger, Tänzer und Musiker bei den Vorbereitungen zu ihren Auftritten zu beobachten. Die ungewöhnlichen Portrait- und Szenenfotos gewähren dem Betrachter Einblicke in eine sonst verschlossene und farbenfrohe Welt des offiziellen wie alternativen chinesischen Theaters.