25.04.2008 - 08.06.2008
Martin Boyce ist einer der international bedeutendsten Bildhauer der in den 1960er Jahren geborenen Generation, die formal und inhaltlich das Erbe der Moderne angehen. Mit überzeugender formaler Prägnanz schafft er atmosphärisch Dichte, Eleganz und Rauheit verbindende Installationen, die urbane Situationen und Stimmungen aufgreifen. In der konkreten Auseinandersetzung mit Objekten des modernistischen Designs entstehen Werkgruppen von Skulpturen, Siebdrucken, Reliefs, Mobilés und Paravents. Das utopische Potential, das in den verwendeten Entwürfen genauso überholt wie aufgehoben ist, wirkt in Boyces Arbeiten weiter und formuliert zugleich die historische Distanz. Seien es die Mobilés aus zerborstenen Arne Jacobson - Stühlen oder die schwarz lackierten, wie verbrannt aussehenden Eames - Kabinettschränke, oft ist den Werken des schottischen Bildhauers ein dystopischer, ein ‚noirÂ’-Effekt eigen, der in Kontrast zu den Versprechen einer besseren und funktionaleren Welt steht.
Die Bezüge zur Moderne sind dabei vielschichtig – eine Fotografie aus einem Buch über französische Gärten der Moderne wurde zu einer wichtigen Quelle für Boyces jüngste Arbeiten. Es zeigt vier Bäume aus Beton, entworfen von Joël und Jan Martel für die Exposition des Arts Décoratifs in Paris von 1925.
Für den Künstler sind sie “a perfect collapse of architecture and nature" und stehen für seine eindringliche Untersuchung von Gegensätzen in der zeitgenössischen Stadtlandschaft: das Natürliche im Gegensatz zum Konstruierten, die Brache im Kontrast zum Belebten. Das ebenso dekorative wie konstruktive Element der Bäume benutzte Boyce für die Bodenarbeit We are still and reflective, 2007 als seinen Beitrag für skulptur projekte münster 07, mit der er auf dem Gelände des ehemaligen Zoos neben Parkplatz und Spielgrund eine ebenso meditative wie nüchterne Fläche schuf.
Der Raum des Westfälischen Kunstvereins ist in seiner modernistischen 1970erJahre-Eleganz und den durch den Natursteinboden gegebenen Außenraumcharakter für Boyce wie geschaffen. Wie er in seiner nunmehr legendären Ausstellung für die Tramway Gallery in Glasgow (This Place is Dreaming, 2003) eine dunkle Landschaft mit Neonbäumen, Zäunen und Bankfragmenten realisierte, strebt Boyce nun ein helles Pendant einer solch urbanen Landschaft an. Durch die komplette Öffnung einiger Oberlichter wird sich das Klima im Raum ausprägen und den landschaftlichen Charakter verstärken.
Von kalifornischen Telefonmasten angeregte Stelen,
die wiederum das Baumelement der Martels aufnehmen, bilden erneut hybride Formen zwischen Natur und Technik. Neue Wandschirme werden durch ihre Verbiegung und Verwitterung die Halden städtischer Randgebiete evozieren. Der Besucher wird eine Szenerie durchwandern, die wie ein Gang durch eine Erzählung sein wird. Boyce wird einmal mehr eine Situation schaffen, die stilistische Perfektion mit einer Leere verbindet, die an gestaltete städtische Räume wie Passagen, Spielplätze oder Parks erinnert. Die Dinge in diesen Räumen gewinnen ein Eigenleben, das sie zu einem Gegenüber werden lässt und sich so wiederum als autonome Skulptur behauptet.