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Winckelmann-Museum


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Die imaginäre Reise des Norbert Bittner (1786-1851)

15.07.2012 - 14.10.2012
Faszination Ägypten. Die imaginäre Reise des Norbert Bittner (1786–1851) Auslöser für die „Ägyptomanie“, die seit Beginn des 19. Jh. Europa erfasste, war die Ägypten-Expedition Napoleons (1798–1801). Das Land am Nil, osmanische Provinz und von Mamelucken beherrscht, wurde für den britischen Handelsweg nach Indien interessant, doch Napoleon versuchte, solche Pläne zu vereiteln. Zu seinem Gefolge von 35.000 Soldaten zählten 167 Gelehrte, Mathematiker, Geometer, Botaniker, Ärzte, Physiker, Ingenieure, Sprachwissenschaftler, Zeichner und Geografen. Diese „Commission des Sciences et des Arts“ hatte den Auftrag, Kenntnisse zum Verständnis des Landes zu gewinnen. Im Juli 1799 drang ein 25-köpfiges Forschungsteam bis zur Nubischen Grenze vor. Die Skizzen und Notizen der gewonnenen Eindrücke bilden die Grundlage für das von Napoleon initiierte Monumentalwerk „Description del’Égypte“, das zwischen 1809 und 1828 in Paris erscheint. Diese Publikation ist zugleich ein Medienereignis. Denn man hatte einen Graveurautomat entwickelt, der eine Produktion und hohe Auflage ermöglichte, für ein Werk, das aus 9 Text- und 11 großformatigen Bildbänden sowie zwei Kartenbänden mit ca. 3.000 Kupferstichen besteht. Zuvor (1802) hat der spätere Generaldirektor des Zentralen Museums der Künste im Louvre, Dominique Vivant Baron de Denon (1747–1825) einen eigenen Bericht von den bis dahin fast völlig unbekannten Altertümern des Südens veröffentlicht, da er am Feldzug von General Desaix nach Oberägypten teilgenommen hat. Obwohl in militärischer Hinsicht der Napoleonfeldzug scheiterte, legt die Expedition auf dem Gebiet der Wissenschaft nicht nur den Grundstein für die Ägyptologie, sondern entfacht in ganz Europa eine Begeisterung für das Ägyptische: Die Orientmode durchdrang die europäische Kultur und Kunst.
Die Ägyptenaquarelle Norbert Bittners bilden ein frühes Beispiel der einsetzenden Ägypten-Rezeption. In Wien war Gregor Kyrillowitsch Graf Rasumofsky (1759–1837) Mineraloge und Geologe, vermutlich im Besitz der französischen Prachtbände über Ägypten und dürfte Norbert Bittner mit der Ausführung von großformatigen Aquarellen beauftragt haben. Denn ein Großteil der Blätter geht auf die Vorlagen aus der »Description« zurück, aber auch auf Denons Publikation von 1802. Als Vorlage für die Blätter der nubischen Ansichten bedient sich Bittner des Tafelwerkes von Franz Christian Gau, da die französische Expedition nicht über Philae hinaus vorgedrungen war. Bittners imaginäre Reise fasst also mehrere Expeditionen zusammen. 57 Blätter entstehen vermutlich zwischen 1829/30 und 1832. Die zarten Aquarelle bezaubern gegenüber den schwarz-weißen Kupferstichen durch den Reiz einer heiteren Phantasiewelt. Nur ein Künstler der selbst nie ägyptischen Boden betreten hat, kann diese Freiheit wagen: unter einem luftigen Wolkenhimmel wie diesseits der Alpen tummeln sich vor antiken Bauten französische Soldaten – selbst in Regionen, die Napoleons Armee nie betreten hatte. Üppig wuchernde Pflanzen verwandeln die karge Wüstenlandschaft in einen heiteren Bühnenprospekt. In mehreren Blättern vereinigen sich übernommene Motive mit Phantasiearchitektur zu bezaubernden Capricci. Norbert Bittner (Leitomischl/ Litomyšl 1786–1851 Wien) zählt zu den Absolventen der Wiener Akademie, die heute völlig in Vergessenheit geraten sind. Sein Lebensweg wurde, angeregt durch das Ausstellungsprojekt, erstmals erforscht. Hauptsächlich beschäftigt er sich mit Bühnenentwürfen und Theaterdekorationen. Bittners „Ägyptenserie“ gilt als das umfassendste erhaltene Werk des Künstlers.

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