Kurzbeschreibung
Nach jahrzehntelangen Provisorien mit Wanderbühnen forderte der Hildesheimer "Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs" die Forderung nach der "Errichtung eines eigenen Theaters." Eine Aktiengesellschaft entsteht, ein renommierter Theaterarchitekt (Max Littmann) wird gewonnen, ein Grundstück gekauft und im September 1908 beginnen die Bauarbeiten. Ein gutes Jahr später wird das neue Haus – es steht noch heute – mit Schillers "Jungfrau von Orléans" glanzvoll eröffnet.
Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal: In sieben Monaten, solange dauerte die Spielzeit, hatten die Bühnenkünstlerinnen und –künstler sage und schreibe zweiundsiebzig Stücke einzustudieren und zu spielen. Bis 1914 steig die Zahl gar auf zweiundachzig. Operetten und Singspiele kamen hinzu. Die Oper hingegen musste, mangels Publikumsinteresse bald wieder vom Spielplan weichen. Überhaupt: der Publikumszulauf war schlecht. Deswegen mussten viele Stücke gespielt werden. Zu viele, die Menge drückte auf die Qualität, was wiederum Publikum abschreckte. Die Kritik der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung vom 13.1.1913 bemerkt ironisch:"...und schliesslich soll auch diesmal die Souffleuse nicht vergessen werden, von der man in dieser Saison noch nie so viel wie gestern gehört hat."
Trotz der enormen Produktivität war das Theater von Anfang an defizitär. Die Stadt musste finanziell beispringen. Schon damals ging das nicht ohne zähe Verhandlungen und heftige Diskussionen ab. Die Argumente von damals sind zum Teil noch heute erstaunlich aktuell. Z.B. "Ein allgemeines Hasten hat heute das ganze Geschäftsleben, Amt und Beruf ergriffen. Die Nerven und die Geisteskräfte jedes einzelnen sind und müssen straff gespannt sein... Einseitig werden so Energie und Intelligenz bis aus äusserste in Anspruch genommen, während Phantasie, Gefühl, Gemüt zumeist dabei verkümmern und verdorren. Mehr als je bedürfen wir daher heute Stätten der geistigen Erholung und Erfrischung, wo auch die andere Hälfte der Menschenseele zu ihrem angeborenen Recht kommt."
Während des ersten Weltkriegs stand ein Lazarett auf dem Gelände des Theaters. Wer nicht zur Armee eingezogen war, kümmerte sich um die Unterhaltung der Verwundeten. Die Nachkriegsinflation ruinierte schliesslich das privat geführte Theater. 1923 musste daher die Stadt den Betrieb übernehmen um den Zusammenbruch zu verhindern.
Siebenundzwanzig Jahre lang, von 1914 bis 1941, war William Büller Intendant des Stadttheaters. Er baute die Bedeutung des Theaters in der Stadt kontinuierlich aus. Besonders beliebt waren seine zahlreichen Freilichtaufführungen. 1933 machte Büller einen tiefen Bückling vor den neuen Herren. "Volkstumsdarstellung" hiess das neue Ziel seiner Arbeit; sein Spielplan wurde im "Völkischen Beobachter" als mustergültig gelobt. Von 1941 bis 1944 übernahm der Gaubühnenleiter die Leitung des Hauses. Eineinhalb Monate vor Kriegsende zerstörte ein alliierter Bombenangriff das Gebäude bis auf die Grundmauern.
In den ersten drei Nachkriegsjahren spielt das Theater in einer Schulaula. Trotz äusserst beengter Verhältnisse kommen 85 Premieren auf die Bühne. Im Winter sind die Besucher angehalten, beim Kauf einer Karte ein Stück Brennholz an der Kasse abzugeben. Im September 1949 wird das restaurierte Theater mit Lessings "Nathan der Weise" wiedereröffnet. Walter Zibell übernimmt die Leitung. Er führt es erfolgreich und erringt überregionale Anerkennung. 1975 geht er in den Ruhestand. Sein Motto während sechsundzwanzig Jahren: Theater ist "ein ständiger Unruhegeist".
Nach einem kurzen Interim, wird Pierre Leon für dreizehn Jahre Intendant und Geschäftsführer des Hauses. Seine Inszenierungen sind beliebt und erringen im In- und Ausland Preise. Viel Neues entsteht, so die "Jazztime Hildesheim", der Presseball, die Premierenmatineen, der neue Verwaltungstrakt, die Studiobühne theo (Theater oben) und der Verein der "Freunde des Stadttheaters." Mit seiner Hilfe wird der "Tummelplatz" ins Leben gerufen, eine Abteilung für Kinder- und Jugendtheater.
Nachfolger von Pierre Léon wird 1990 Klaus Engeroff. Er plant "Neues, Ueberraschendes, Ungewohntes". Als das Publikum verhalten reagiert und die Rezession auch Hildesheim zu schaffen macht, muss er sein Programm umstellen. Er setzt nun auf Musicals als Publikumsmagneten. Bis zu vier Stück bietet er in einer Spielzeit an. Rigorose Sparmassnahmen bringen das Theater 1993 an den Rand der Existenz. Eine Sparte soll geopfert werden. Dank einer Bürgerinitiative kann der Dreispartenbetrieb erhalten bleiben. Die populären Musicals füllen zwar die Kasse, doch es mehren sich auch die Stimmen, die den Kulturauftrag dadurch zu einseitig erfüllt sehen. Klaus Engeroff scheidet 1995 aus dem Amt.
Sein Nachfolger, Martin Kreutzberg setzt, trotz des engen Finanzrahmens, verstärkt auf anspruchsvolles literarisches Theater und auf qualitativ hochstehende Inszenierungen. Kaum hat er seine Arbeit begonnen, droht auch schon das Ende. Der Dachstuhl des Hauses erweist sich als morsch, eine teilweise Gebäudesanierung ist unumgänglich. In aller Eile muss eine Ausweichspielstätte gefunden, finanziert, umgebaut und beworben werden. In einem einzigartigen Kraftakt gelingt das Kunststück. Die Spielzeit in der ehemaligen Panzer-Reparaturhalle Nr.39 wird zum grossen Erfolg: Ungewöhnliche Raumlösungen ermöglichen unvergessliche Theatererlebnisse. Parallel zur Arbeit in der Halle werden das alte Haus gründlich saniert, eine neue Studiobühne eingebaut und der Rückumzug organisiert. Eine enorme Belastung. Wieder im neuen alten Haus setzen Kreutzberg und sein Team ihre erfolgreiche Arbeit fort.
Aus privaten Gründen verlängert Martin Kreutzberg seinen Vertrag nicht. Urs Bircher, sein langjähriger Mitarbeiter und Freund, tritt die Nachfolge an.
Seit dem 3. März 2005 bilden das Stadttheater Hildesheim und die Landesbühne Hannover gemeinsam das Theater für Niedersachsen (TfN)unter dem Intendanten Jörg Gade.
Gemeinsam zeigen die Bühnen anspruchsvolle und qualitativ hochwertige Inszenierungen, mit denen auch junge Leute für das Theater begeistert werden sollen. Vor allem mit der neugegründeteten MusicalCompany soll dieses anspruchsvolle Ziel umgesetzt werden.