Kurzbeschreibung
Im Anfang war das Verdikt. - Die Gründung des Theaters Zeitz war die militärische Befehlshandlung eines russischen Besatzungsoffiziers. Eigentlich wäre von einer Neugründung zu sprechen, von einer Wiedereinrichtung musischen Handlungsraums; denn ein Theater - wohl bemerkt ein richtiges Theater mit aller dazugehörigen Infrastruktur - gab es in Zeitz bereits vor dreihundert Jahren. Herzog Moritz Wilhelm hatte auf dem Areal seiner Residenz Schloss Moritzburg eins errichten lassen, das sicher zu den ältesten Hoftheatern Deutschlands zählen würde, wäre der Potentat im höheren Alter nicht Zeitz überdrüssig geworden und ins lieblichere Osterland gen Weida gezogen. Seine Nachgeborenen, die wohl weniger feinsinnig waren, machten kurzen Prozess und ließen, was der kunstverständige Ahnherr zu seiner und des Hofes Erbauung ins Leben gerufen hatte, einfach schleifen.
Seither war des Zerrens um und gegen Theater an den Gestaden der Weißen Elster kein Ende. Es gab immer mal wieder bildungs- und kulturhungrige Menschen unterschiedlichster Couleur, die sich in Vereinen zusammenfanden, um Theaterauftritte auswärtiger Truppen in Zeitz zu organisieren, aber auch um hin und wieder - bald zaghaft, bald forsch - ein stadteigenes Theater von ihren Oberen zu fordern. Nahe an solcher Gründung dran war's oft. Dazu kommen sollte es erst nach Ende des II. Weltkrieges.
Damals, als die Flüchtlingsströme aus dem ehemals deutschen Osten unterwegs waren, als aus den großen Städten die Menschen, deren Behausungen in Schutt und Trümmern lagen, in abgelegenere Regionen strebten, die man weniger gebeutelt vorzufinden hoffte, da waren auch Mimen unterwegs, bekannte und weniger bekannte und unbekannte. In Altenburg, wo es ein schönes altes Hoftheater von solidem Ruf gab, waren einige aus diesem großen Strom in der Hoffnung hängen geblieben, wieder die Bretter, die ihnen heilig waren, betreten zu dürfen. Einigen war das auch gelungen, andere wiederum waren rasch weitergezogen, und wieder andere wollten die Hoffnung so schnell nicht aufgeben und waren fürs erste noch geblieben. Da drang dann wohl die Kunde von Zeitz herüber, dass man dort immer schon oder endlich wieder ein Theater haben wollte. Und so machte sich eine kleine, aber hartnäckige Gruppe auf den Weg dorthin, um beim Dezernenten des Volkbildungsamtes, einem Herrn Stadtrat Paschke, Begeisterung für die Gründung eines Musenhauses zu wecken. Die erhalten gebliebenen Aktenstücke weisen des Stadtrates knappe Bemerkungen zu dem Thema in zackiger Sütterlinschrift aus: "Abgelehnt." "Nicht erforderlich." Nicht genehmigt." Bewegung kam in die Angelegenheit, als der Kulturoffizier der russischen Kommandantur Wind von der Sache bekam. Das war ein hochgebildeter russischer Jude namens Boris Dubinski, von Hause aus Germanist und euphorischer Verehrer der deutschen Dichter (was ihm später in seiner Heimat noch genug Ärger verschaffen sollte). Dubinski setzte seinen Ukas über des Stadtrats Ablehnung. Dessen Ton änderte sich flugs und auffallend. Da war plötzlich die Rede von "Aufbauwillen", der "von jugendlichem Elan getragen" war und von der "Erkenntnis, dass die Vertiefung des Wissens und der Bildung in den breitesten Schichten der Bevölkerung eine der wichtigsten Voraussetzungen für die politische und kulturelle Neugestaltung unseres Volkes" sei. Nach wenigen Wochen öffnete sich zum ersten Mal der Vorhang im neu gegründeten Theater Zeitz zu einem Stück, das so ganz und gar nicht voller Sprechblasen und dröhnender Sentenzen ist, das nur die tiefe Liebe zum Theater als ironischen Inhalt hat, zum Raub der Sabinerinnen mit dem legendären Bernhard Wildenhain in der Hauptrolle des Theaterdirektors Striese. Prominente sollten noch oft und immer mal wieder am Zeitzer Theater auftauchen. Auf kurze Zeit machten Willi Rose und Josef Meinrad Station. Diddi Hallervorden führte Kantinengespräche, als er Rotraud Schindler besuchte, die fest im Engagement war.
Die Truppe wurde angenommen in Zeitz und wo überall sie spielte. Nach wenigen Jahren stand ein volles Mehrspartentheater mit über 200 Beschäftigten. Die Theaterkunst boomte geradezu überhitzt während der ersten zehn Jahre und das nicht nur in Zeitz. Später normalisierte sich dies. Zwischendurch gab es durchaus auch mal Flauten. Gegen die 89er Wende hin, als die Leute sich lustvoll Luft verschafften an Pointen und Hieben, die Theatermenschen listig zwischen die Zeilen gepackt oder offen platziert hatten, ging es wieder kräftig aufwärts mit dem Besuch, um nach Öffnung der Grenzen, als es alle in die Ferne zog, erst einmal im Keller zu landen.
Nach der Wende kam ein neuer Intendant: Wolfgang Eysold. Sein Antrittsstück war wiederum der Raub der Sabinerinnen. Er selbst spielte diesmal den Striese, der mit tausend Widrigkeiten zu kämpfen und aus Pappe Gold zu zaubern hat. Darin schien noch mehr symbolische Bedeutung zu liegen als damals 1945. Denn schon dämmerte den Theatergöttern ein düst'rer Tag. Moritz Wilhelm schien sich wieder einmal nach Weida abgesetzt zu haben. Von Sachzwängen wurde geredet aus den Mündern derer, die in Stadt und Kreis das Sagen hatten, von der "Russenbude", die mit den Russen, mit denen sie gekommen sei, endlich verschwinden müsste, bis schließlich eines schlimmen Tages der Kreistag verfügte: Das Theater Zeitz wird mit Spielzeitende zum 31. Juli 1993 geschlossen. Doch da tauchte Moritz Wilhelm in reinkarnierter Gestalt auf und teilte sich vielfach einer Amöbe gleich. Das Theater Zeitz hatte plötzlich mehr Anhänger als Besucher. Die Leute gingen wie im 89er Herbst auf die Straße und forderten: "Theater Zeitz - dabei bleibt's!" Und siehe, die Idee wurde diesmal tatsächlich zur materiellen Gewalt. Die Schließungsverfügung wurde zurückgenommen. Der Landkreis Zeitz bot eine feste Summe zur Finanzierung an, sofern sich ein neuer Rechtsträger fände. Dies wurde im Sommer mit der Gründung eines Trägervereins vollzogen. Das Land Sachsen-Anhalt sicherte ebenfalls Gelder zu. Und schließlich schloss sich die Stadt Zeitz der Finanzierung an. Eine Bedingung gab es allerdings, die zwar so nicht ausdrücklich gestellt wurde, die sich jedoch aus der Summe der disponierten Gelder ergab: Die Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter konnte 50 nicht überschreiten. Die bittere Aufgabe bestand darin, das Personal um 75 % zu reduzieren und für die verbleibenden 25 % solche Rahmenbedingungen - beileibe nicht nur finanzielle! - auszuhandeln, die den Theaterbetrieb zunächst über ein paar Jahre zu sichern Gewähr boten.
Was dann losging, war weit aufregender als "Katz' und Maus". In nächtlichen Beratungen der Theaterleitung wurden etliche Entwürfe zum Betrieb eines um und um reformierten Theaters gebaut, die aus immer neuen, immer anderen Gründen verworfen wurden. Der Overkill wurde angepeilt, als von einem Abend bis zum nächsten frühen Morgen wieder einmal ein neues Konzept als endgültig und unwiderruflich letzte Möglichkeit abgefordert wurde. Offensichtlich wollte man Eysolds Rammbockmentalität zerbröseln. Aber man hatte nicht mit einer anderen Tugend gerechnet, die ihm eigen ist. Listig ist er nämlich auch. So hatte er, nachdem ihm klar geworden war, wie das Spiel hieß, zu dem man ihn geladen hatte, die Finten der anderen vorausgedacht und mit den Seinen gleich eine ganze Ladung Konzeptionen auf Halde produziert, derer man sich nun eilends bedienen konnte. So wurde denn sozusagen Entwurf Nummer 17 a aus der Lade gezogen und in nächtlicher Eilsitzung so geschliffen und poliert (die zeitaufwendigen und komplizierten Rechenaufgaben hatte man Wochen vorher schon heimlich erledigt), dass die geforderte, wohl sicher aber weniger gewünschte Variante am nächsten Morgen pünktlich zum ultimativen Countdown in der Amtsstube vorgelegt werden konnte. Danach wurde Waffenstillstand geschlossen.
Das Theater Zeitz arbeitet seit diesem Zeitpunkt als Reformtheater mit integriertem Kulturnetz unter Einbindung eines Kinderfreizeittreffs. Rechtsträger ist der "Theater Zeitz e. V.".
Das Haus wird vom Burgenlandkreis, vom Land Sachsen-Anhalt und von der Stadt Zeitz finanziert. Zu den 38 Beschäftigten der Anfangsphase des Reformtheaters kamen inzwischen noch 12 Musiker, deren Engagement durch die Finanzbeteiligung der Stadt ermöglicht wurde, und 6 ABM-Kräfte für den Betrieb des Kinderfreizeittreffs, der die gesamte Unstrut-Saale-Elster-Region betreut.
Im statistischen Schnitt wartet das Theater Zeitz etwa alle zwei Wochen mit einem neuen Vorstellungsangebot auf. Davon sind 60 % eigene Produktionen des Zeitzer Ensembles. Der Rest wird auf Gastspielbasis abgedeckt. Die Palette des Gesamtangebots reicht vom Rockmusical, über Konzerte, Stücke für die ganze Familie, Kabarettprogramme, literarisch-musikalische Programme, Musicals, spezielle Werke für Kinder, Operetten, Opern und Boulevardkomödien bis zum großen Schauspiel. Ein besonderer Akzent liegt auf Angeboten für Kinder und Familien.
Im Kulturnetz gibt es das Amateurtheater "Crashendo", das Kindertheater KITZ, Schultheater, Projekttage für Schulen, Lehrerweiterbildung für Schultheater, eine Theatergruppe für behinderte Mitbürger und Seniorentheater.
Unsere Besucher können somit aus über hundert Einzelofferten pro Jahr auswählen. Möglich wurde dies durch die totale Reform der inneren Struktur und der äußeren Anbindungen.