Wer sich von Dresden aus auf Reisen begibt, kann seinen Pass meist stecken lassen. Doch sind die Zeiten der Grenzen tatsächlich überwunden? Mit rund 200 Farb- und Schwarzweiß-Fotografien fragt unsere neue Ausstellung danach, welche Realitäten an den Grenzen unserer Gegenwart herrschen. Grenzen sind sichtbar oder unsichtbar. Sie werden politisch oder gesellschaftlich gezogen, andere sind historisch gewachsen oder geografisch bedingt. Grenzen verlaufen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen oder zwischen ganzen Völkern - manche sind gewollt, andere nicht. Dabei tragen Grenzen immer einen Widerspruch in sich: einerseits trennen sie oder schließen ein und sind bedrohlich, andererseits bieten sie auch Sicherheit und Schutz vor Übergriffen. Was also ist die Wirklichkeit einer Grenze? 18 Fotografinnen und Fotografen der renommierten Agentur OSTKREUZ haben sich in Europa, Afrika, Asien und Amerika umgesehen und beobachtet, wie sich Menschen verändern, die im Umfeld von Grenzen leben. Vor allem aber haben sie sich dafür interessiert, welche Erfahrungen die Menschen dort machen und wie sie ihr Leben mit und jenseits von Grenzen gestalten. Die Künstlerinnen und Künstler nähern sich diesem sensiblen Thema mit ihren künstlerischen Handschriften und fotografischen Positionen an. Die Grenzen zwischen Kunst- und Reportagefotografie sind aufgehoben.
Die Fotoarbeiten zeigen reale Barrieren, wie sie im nordirischen Belfast zwischen Katholiken und Protestanten bestehen, oder die EU-Außengrenze zwischen Griechenland und der Türkei. Sie erzählen von den Abgrenzungsprozessen beim Entstehen eines neuen Staates wie dem Südsudan. Mit der dramatischen Lage der Roma in Südosteuropa werden Grenzen sichtbar, die nicht aus Mauern oder Polizisten bestehen, sondern in Marginalisierung und Ausgrenzung. Ähnliches gilt für die Chinesen, die Betriebe in der italienischen Textilstadt Prato übernommen haben, um Mode „Made in Italy“ zu produzieren. Die Fotos blicken hinter die Fassade des Strafgerichtshofs in Den Haag, sie geben illegalen Asylbewerbern in Berlin ein Gesicht oder begleiten schwule Palästinenser auf der Straße, die im Feindesland Israel Exil suchen. 18 Geschichten von Menschen zwischen den Welten.
Gemeinsam ist den Fotografien das Anliegen, auf Grenz-Konflikte und die Verantwortung der Menschen füreinander hinzuweisen. Das Projekt beschreibt die Komplexität moderner Gesellschaften und fordert so zu gegenseitigem Verständnis und Mitmenschlichkeit auf. Dabei kann die Ausstellung durchaus als Ermutigung verstanden werden, etwa bei der Bildserie über die ehemalige Zonengrenze - was früher Todesstreifen war, ist heute Naturschutzgebiet. Grenzen trennen, aber Grenzen sind nicht unverrückbar, sie sind von Menschen gemacht und können von Menschen überwunden werden.
So individuell die Künstlerinnen und Künstler ihre Foto-Zyklen realisiert haben, ist doch fast allen OSTKREUZ – Fotografen ein spezifischer Blick gemeinsam, der Realismus bis hin zur Lakonie mit Menschlichkeit und Anteilnahme in fotografischer Distanz verbindet. Wir laden Sie ein, in dieser großen Fotoausstellung auch die Grenzen des Blicks und des Horizonts hinter sich zu lassen.