Kapsel 05
João Maria Gusmão & Pedro Paiva: Peacock/ Pfau
João Maria Gusmão (geb. 1979 in Lissabon) und Pedro Paiva (geb. 1977 in Lissabon) arbeiten seit 2001 zusammen und haben seitdem zahlreiche institutionelle Einzel- und Gruppenausstellungen realisiert.
Schwerpunkt ihrer Präsentation im Haus der Kunst „Peacock/ Pfau" ist der neueste filmische Werkkomplex, der in Japan entstand. Die 16mm-Filme werden im Loop gezeigt und sind stumm. Einziges Geräusch im Raum ist das der Projektoren, wodurch deren Materialität zusätzlich betont wird. Zunächst führt der Film „Mating dance" das Motiv ein: die Konstruktion eines Selbstbildes. Mit seinem auffälligen Federkleid, das er zu einem Rad aufstellen kann, versucht der Pfau seinem weiblichen Gegenüber zu imponieren.
Auf einem zweiten Projektor laufen drei Filme, deren verbindendes Element das Wasser ist. Sie bündeln zentrale Aspekte im Werk der Künstler: die Konstruktion einer Theorie für das eigene Schaffen und deren Überprüfung mit visuell-poetischen Experimenten. Der Film „Ventriloquism" von 2009 beispielsweise greift die ursprüngliche Bedeutung des Bauchredens als religiöser Praxis auf: Es diente der Verständigung mit den Toten bzw. mit Geistwesen. Im Film ist eine Wasseruhr zu sehen, deren Strahl letztlich auch die Länge des Films bestimmt.
In „Wave" von 2011 wird ein schwarzer Felsen langsam von einer Meereswelle verschluckt - ein Urbild für zyklische Schöpfung. Der Film setzt das Stilmittel der extrem verlangsamten Slow-Motion-Aufnahme ein, die den Bewegungen besondere Bedeutung verleiht. Die Künstler filmen hierzu mit einer Highspeed-Kamera, die bis zu 500 Bilder pro Sekunde festhalten kann, und lassen den Film dann verlangsamt ablaufen, mit weniger als den üblichen 24 Bildern pro Sekunde.
Die vier Filme in der dritten Raumzone sind neue Produktionen, die kürzlich in Japan entstanden sind. Das übergeordnete Thema ist die Aufsplitterung des Selbst in verschiedene Geistformen. „Sleeping in a Bullet Train" von 2015 zeigt Schlafende in einem Zug auf dem Weg zur Arbeit. Der Geschwindigkeit des Zuges setzt das Künstlerduo die verlangsamte Sphäre der Träumenden entgegen. Schließlich fährt der Zug in einen Bahnhof ein, ganz wie in dem Stummfilm „Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat" der Brüder Lumière von 1895. Wiederholt erinnert das Künstlerduo mit solchen Szenen an die Anfänge des Films.
„Peacock Noh" schließt den Kreis. Das Monster Nue, eine Chimäre aus der japanischen Mythologie, ist ein Mischwesen aus Affe, Waschbär, Tiger und Schlange. Nachdem es getötet wurde, versucht ein Mönch seinem unerlösten Geist zu helfen, Ruhe zu finden. Wie im Nō-Theater folgt die Erzählung dem Zyklus von Tag und Nacht. Auch die stilisierten Bewegungen erinnern an japanisches Tanztheater. Mit 26 Minuten ist dieser Film ungewöhnlich lang. Überhaupt weichen die Künstler von bisherigen Prinzipien der Gestaltung ab: Die Position der Kamera ist nun nicht länger statisch, und sie folgt der Hauptfigur.
Die künstlerische Haltung von Gusmão & Paiva speist sich aus vielseitigen literarischen Quellen: darunter René Daumal („Die bestimmende Erinnerung"), die Pataphysik, die sich auf den Einzelfall konzentriert, und die Abyssology, die Lehre vom Abgrund. Grundüberzeugung dieser Wissenschaft ist die ständige Veränderlichkeit alles Seienden. Sie wendet sich ab von klassischer Beweisführung, kombiniert vermeintliche Analyse mit Humor und widmet sich dem Unmerklichen. Die Welt der Dinge offenbart auf diese Weise ihren Reichtum an Wundern. Der Mensch bewahrt seine Empfänglichkeit für Übersinnlichkeit und Manifestationen des Göttlichen.
Kapsel 06
Sara MacKillop
Sara MacKillop (geb. 1973 in Bromley, UK) hat sämtliche Arbeiten, die in dieser Kapselausstellung zu sehen sind, eigens für die Ausstellung konzipiert. Ihre Werke stehen in der Tradition der Konzeptkunst sowie des Minimalismus. Die Londoner Künstlerin ist Mitbegründerin der Artist Self-Publishers' Fair London 2015. Sie hatte bisher Einzelausstellungen in der Kunsthalle Charlottenburg, Kopenhagen (2013), Spike Island in Bristol (2011), White Columns in New York (2011) sowie im Whitechapel Project Space, London (2009).
Mit Betreten ihres Raumes gelangt der Besucher vom dunklen Raum der Kapsel 05 ins Helle. Die Neuproduktionen sind minimalistisch luftige, einzelne Setzungen. In ähnlicher Machart wie etwa die Arbeit „Pens" von 2006 - gleichartige Stifte, die zu einer Stange zusammengestöpselt wurden - sind sie im Alltäglichen verhaftet. Zunächst wirken sie wie gewöhnliches Material aus dem Büroalltag, z.B. Briefumschläge. Doch die gewählten Motive - Stifte, Kassetten, Papier - verschwinden allmählich aus dem allgemeinen Gebrauch, sie sind im Begriff unmodern zu werden. Zusätzlich gibt ihnen eine Veränderung im Maßstab oder die Verwandlung der ursprünglichen Funktion einen entscheidenden Twist zum Ephemeren. Was wie ein Massenprodukt aussieht, ist ohne Funktionalität; stattdessen besitzt es eine poetische Qualität. Die Gegenstände werden neu chiffriert.