In den 1990er-Jahren, als Ingvild Goetz anfing, systematisch auch Medienkunst zu sammeln, wurden die theoretischen Grundlagen für die Gender Studies gefestigt, die heute durch die vergleichende Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaft und Nachbardisziplinen bekannt sind. Die Werke, die Ingvild Goetz in ihre Sammlung von Medienkunst aufgenommen hat, spiegeln das damals rege Interesse an diesen Themen. Ab Mitte der 1970er-Jahre entstanden, gehen die hier ausgewählten Filme Hand in Hand mit dem Diskurs der feministischen Bewegung und insbesondere der feministischen Filmtheorie.
Titelgebend für diese fünfte Präsentation aus Werken der Sammlung Goetz im Haus der Kunst ist eine frühe Videoarbeit von Mona Hatoum (1983). Sie gründet auf dem Material einer Performance, die per Satellit live zwischen Wien und Vancouver übertragen wurde. Wegen der damaligen technischen Beschränkungen baut sich die Nahaufnahme vom Gesicht einer Frau alle acht Sekunden zu einem neuen Bild auf. Während auf der Tonspur die Stimme von Mona Hatoum die Worte "So Much I Want to Say" wiederholt, zeigen die Bilder, wie das Gesicht der Frau von Männerhänden verdeckt wird. Mona Hatoum ist gebürtige Libanesin und lebt in London. Kontinuierlich beschäftigt sie sich in ihrem Werk damit, dass Menschen aufgrund von Herkunft und Geschlecht gesellschaftlich marginalisiert und zum Schweigen gebracht werden.
Andrea Bowers greift mit "Letters to an Army of Three" (2005) ein klassisch feministisches Thema der 1960er-Jahre auf, das Engagement für legale Abtreibung. Die "Army of Three" bestand aus drei Aktivistinnen, die sich von 1964 bis 1973 in der San Francisco Bay für Abtreibung einsetzten und Betroffenen u.a. mit einer Liste von Ärzten halfen. Der Bildaufbau mit einfarbigem Hintergrund und Blumenarrangement erinnert an die Porträtmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts. Frontal vor der Kamera sitzend, tragen Schauspielerinnen und Schauspieler insgesamt 35 Briefe von Frauen und Männern vor, die ihre Notlage schildern und um Hilfe beim Abbruch einer Schwangerschaft bitten. Dem Spektrum von Einzelschicksalen entsprechend ist jedes Blumenbukett individuell und unverwechselbar gestaltet. Die Aneinanderreihung unterstreicht die Tatsache, dass ungewollte Schwangerschaften keineswegs nur den von Gesetz und Gesellschaft sanktionierten Ausnahmefall bilden.
Um das Aufbrechen von Rollenmustern geht es in den Beiträgen von Tracey Moffatt und Rosemarie Trockel. Tracey Moffatt beschäftigt sich mit der reduzierenden Darstellung insbesondere von farbigen Frauen in Filmen. In ihrer gemeinsam mit Gary Hillberg produzierten Videocollage "Lip" (1999) reiht sie Szenen aus Hollywoodproduktionen aneinander. In der Rolle der Bediensteten, hat die Farbige oder Schwarze höchstens die Wahl, entweder aufmerksam und unterwürfig, oder nachlässig und aufsässig zu sein; der Titel des Videos bezieht sich auf den Ausdruck "to give lip" - pampige Antworten geben. Durch die pointierte Montage wird die unangemessen eindimensionale Auffassung der Charaktere bloßgestellt.
Die filmischen Mittel zur Darstellung von Machtverhältnissen führt Moffatt in "Nice Coloured Girls" (1987) vor, indem sie Geschlechterklischees umkehrt. Ihr Video ist ein Gegenentwurf zu einem Paradox, das von der Filmtheorie thematisiert wurde: Während Frauen in Filmen omnipräsent sind, haben sie weit seltener auch eine handlungsbestimmende Rolle. In "Nice Coloured Girls" angeln sich drei australische Aboriginefrauen einen betrunkenen Weißen, ihren "Captain". Sie essen, trinken und amüsieren sich auf seine Kosten, um ihm am Ende das Portemonnaie zu stehlen und in einem Taxi zu verschwinden. Sie sind die Akteurinnen, die den Mann zum Objekt herabwürdigen. Dem Wechsel zwischen Untertiteln und männlicher Stimme aus dem Off entspricht ein Wechsel der Erzählebenen. Der Sprecher repräsentiert die Perspektive der Kolonialherren im 18. Jahrhundert; die Untertitel dagegen erläutern das aktuelle Geschehen aus Sicht der Frauen, die sich mit ihren Tricks über Rollenmuster und Unterwerfung erheben.
Rosemarie Trockels "Fan 1-6" aus dem Jahr 2000 widmet sich dem Verehrungskult um Brigitte Bardot. In einer Abfolge kurzer Szenen, die die Bardot direkt oder indirekt porträtieren, entfaltet Trockel mit subtilem Humor die Widersprüchlichkeit dieser Figur. Während Bardot in dem Lied "Mr. Sun" (1968) ihre Sehnsüchte besingt - "only you understand how lonely I am" - kreist die Kamera um einen altmodischen Heiliger-Herd; verschiedene Frauen schlüpfen in die Rollen der Brigitte Bardot - dramatisch geschminkt, als Kindfrau, als Tierschützerin oder Verführerin. "Sie besitzt die Eigenschaft, als Modell für alles mögliche zu funktionieren", sagt Rosemarie Trockel über Brigitte Bardot und die schier unbegrenzten Vorstellungen, die auf diese Figur projiziert werden, die selbst davon unberührt bleibt.
Mit seiner Handlungsstruktur von Heldin, Abenteuer und Heimkehr gleicht Ulrike Ottingers Film "Johanna d'Arc of Mongolia" (1989) einem Märchen. Vier ganz unterschiedliche Frauen treffen in der Transsibirischen Eisenbahn aufeinander: eine Broadwaysängerin, eine Oberstudienrätin, eine Ethnografin und eine Rucksackreisende. Ihr jeweiliger Charakter wird im Innenraum der Reisewaggons skizziert; nachdem die Frauen von einer mongolischen Prinzessin und ihrem weiblichen Gefolge entführt wurden, verlagert sich das Geschehen in den Außenraum: einer Reise zu Fuß und zu Pferd, gemeinsam mit den Entführerinnen, durch die überwältigenden Landschaften der Inneren Mongolei. Jede der Frauen reagiert unterschiedlich auf das Unbekannte: auf die Jagd zu gehen, in Jurten zu wohnen, Zeugin von Wettkämpfen und Ritualen zu werden. In der Wildheit der Steppe und in der Gemeinschaft der Entführerinnen loten die vier ihr Selbstverständnis neu aus - auch in Hinblick auf ihre Karriere, ihre Sexualität und Spiritualität.
Die Werke von Künstlerinnen machen in der Mediensammlung von Ingvild Goetz fast die Hälfte aus. Bezeichnenderweise war Cheryl Donegans lustvolles Video "Untitled (Head)" ihr erster Ankauf. Ingvild Goetz erwarb die Arbeit 1993, im Jahr ihres Entstehens. Insgesamt lassen sich anhand der Arbeiten in ihrer Mediensammlung die wichtigen Etappen des feministischen Diskurses seit den 70er-Jahren nachvollziehen.