In Zusammenarbeit mit dem Leipziger Kunsthistoriker Dr. Michael Lingohr präsentiert das Keramik-Museum Berlin seine dritte große Sonderausstellung in diesem Jahr. Sie widmet sich der Keramik, die während der Zeit der NS-Regierung in Deutschland gefertigt wurde – ein bislang noch nicht ausreichend aufgearbeitetes Thema. Als einer der Bausteine auf dem Weg zur national-sozialistischen "Heimkultur" spielte Keramik eine wichtige Rolle in der NS-Ideologie. Programmatisch wurden einerseits Bauern- und Volkskunst sowie Handwerk besonders gefördert, andererseits war unter ökonomischem Gesichtspunkt die Industrieproduktion unverzichtbar. Zum einen wurden traditionelle Formen und Dekore als genetisches Erbe der "arischen Rasse" propagiert, zum anderen wurde die Entwicklung zeitloser, schmuckloser Formen gefordert. Die Feindbilder wurden dabei klar benannt: „muffige Gründerzeit“, „liberalistische Weimarer Republik“ und „jüdisch-bolschewistisches Bauhaus“. Den Nationalsozialisten war allerdings klar, dass eine nationalsozialistische Alltagskultur, ein eigener Stil, also auch eine entsprechende Keramikproduktion, nicht wie die avantgardistische Kunst durch Verbote, sondern nur durch ideologische Erziehungsmaßnahmen und Wirtschafts-lenkung erreicht werden konnte. Zudem musste für die Devisenerwirtschaftung auch der Bedarf der Auslandsmärkte berücksichtigt werden. Dementsprechend breit und auch widersprüchlich war das Spektrum der keramischen Produktion zwischen 1933 und 1945. In der Ausstellung sind Beispiele dessen zu sehen, was gefördert, was geduldet oder ignoriert und was abgelehnt wurde.
Am Beispiel der Staatlichen Majolika-Manufaktur Karlsruhe lassen sich verschiedene Tendenzen und die Breite der keramischen Produktion während der NS-Zeit aufzeigen. Dabei werden Brüche und Kontinuitäten mit der Periode der Weimarer Republik deutlich. Die vom Kunst-Dienst seit 1938 erarbeitete "Deutsche Warenkunde" und die Formen des "Amtes 'Schönheit der Arbeit'" bilden die Höhepunkte der nationalsozialistischen Geschmackserziehung und illustrieren die Bemühungen um "zeitlose" Formen. In diesem Zusammenhang lässt sich eine formale Beständigkeit vom Ende der 20er bis in die 50er Jahre, in Ausnahmefällen sogar bis heute feststellen.
Systembedingte Aufgabenstellungen an die keramische Produktion werden ebenso vorgeführt wie die Förderung und Verbreitung regionaler Traditionen. Die ideologisch motivierte Lenkung der Keramikproduktion führt kaum zu ganz neuen Ergebnissen, besteht vielmehr in der Forcierung ausgewählter Aspekte. So wird beispielsweise der Rückgriff auf altgermanisches Formengut und symbolträchtige Dekorelemente wie Runen oder Erntemotive ebenso gefördert wie die Verwendung floraler Motive als Ausdruck der deutschen Naturverbundenheit. Auf der anderen Seite stehen Umwidmungen wie die der Suppenterrine zum „Eintopf“ oder des christlichen Weihnachtsfestes zum germanischen Julfest.
Von großer Bedeutung war für das NS-System die Außendarstellung. Diese kann anhand von Auftrags- und Souvenirstücken für die Olympischen Spiele von 1936 in Berlin ebenso illustriert werden wie durch Arbeiten, wie sie auf internationalen Ausstellungen der Zeit (z. B. Weltausstellung Paris 1937) präsentiert wurden.
Schließlich zeichnen wir exemplarisch Wege und Schicksale von Töpfern und keramisch arbeitenden Künstlern nach, die sich unter dem faschistischen Regime behaupten konnten oder Karriere machten, von anderen, denen es den Umständen entsprechend möglich war, unbehelligt ihre Arbeit fortzuführen, und wiederum anderen, denen Ausstellungs- oder Berufsverbot auferlegt wurde, die ins Exil gezwungen oder gar verschleppt und ermordet wurden.