Mit großformatigen Gemälden und Grafiken aus dem Nachlass sowie einer Auswahl an Terrakotta-Skulpturen und der Skulptur «Hoffnungsträger», präsentiert die Kunsthalle Bielefeld das Werk des Schweizer Künstlers Martin Disler.
Martin Disler wurde am 1. März 1949 in Seewen im Kanton Solothurn in der Schweiz geboren, er starb 1996 im Alter von nur 46 Jahren. Nach autodidaktischen Anfängen als Dichter und Zeichner avancierte er nach 1980 zum gefeierten Star der nationalen und internationalen Malereiszene und behauptete sich auch im Kunstmarkt erfolgreich. Ein Grund für seinen Erfolg war sicher die weltweite Konjunktur heftig-subjektiver Kunst unter den Labels «Neue Wilde», «Transavanguardia» und «Figuration libre», zu deren Kontexten sich Disler jedoch nie zugehörig fühlte. Der nationale und internationale Durchbruch gelang ihm mit der Ausstellung «Invasion durch eine falsche Sprache» in der Kunsthalle Basel im Jahr 1980. Die Erfahrungen vor und nach dieser Ausstellung beschreibt er in seinem Buch «Bilder vom Maler», das als vermeintlich authentisches Bekenntnis eines zeitgenössischen Künstlers so erfolgreich war, dass es bereits in den ersten drei Jahren in zwei weiteren Auflagen nachgedruckt wurde. Der Titel der Ausstellung «Martin Disler. Bilder vom Maler» bezieht sich auf diesen Text aus dem Jahr 1980.
Die Ausstellung präsentiert Arbeiten aus verschiedenen Werkphasen Dislers. Einige von ihnen waren auch in der berühmten Ausstellung «Invasion durch eine falsche Sprache» zu sehen, wie etwa die zwei Zeichnungen „Mamma Grottino“ aus dem Jahr 1979. Die frühe Malerei Dislers besteht aus großformatigen Leinwänden mit zügig aufgetragener Acrylfarbe und klar erkennbaren Motiven, die allerdings in ihrer freien Kombination überraschen. Kräftige Farben und ausgedehnte Flächen dominieren in dieser Zeit Dislers Bilder. Die Gemälde bestechen durch eine kraftvolle Unmittelbarkeit, die durch die Lapidarität der Motive und Malweise noch gesteigert wird. Die späteren Bilder Dislers werden malerisch anspruchsvoller und lassen dabei immer weniger figurative Motive erkennen, auch wenn Disler die Figuration nie ganz aufgeben wird. Ihre außerordentliche Dynamik und Wucht verdanken sie, neben ihrer Größe, auch dem Malprozess Dislers, der die Farbe mit Pinsel, Händen und Fingern auftrug, um sie dann mit dem Messer wieder abzunehmen, vergleichbar der Arbeit an einer Plastik. Disler ertastete und formte seine Bilder ganz körperlich, in einem Prozess kontinuierlicher Verdichtung.
Anfang der 1980er-Jahre wandte Disler sich auch der Druckgrafik zu, bei der er ebenfalls mit extrem großen Formaten arbeitete. Er beschäftigte sich intensiv mit den verschiedenen Techniken und den Herausforderungen des druckgrafischen Prozesses.
Seit Mitte der 1980er-Jahre entstand zusätzlich zu Malerei und Grafik ein umfangreiches dreidimensionales Werk. Die Skulpturen bedeuteten für Disler eine konsequente Fortführung seiner Mal-, Zeichen- und Druckprozesse. Die Terrakotta-Skulpturen in der Ausstellung zeigen eine Reihe von flachen Hängemasken oder Totenschädeln neben vollplastischen Objekten mit mehreren Köpfen. Sie erinnern sowohl an menschliche wie an tierische Köpfe, die ineinander verschlungen aus demselben Grund wachsen. Starke Aushöhlungen lassen an Blumenkübel denken.
In dem Roman «Bilder vom Maler» schildert Martin Disler die künstlerische Existenz in einer Sprache, die Verausgabung und Exzess spiegelt. Er beschreibt die völlige Hingabe an die Existenzform “Künstler”, sowie auch seine Leidenschaft und seinen Glauben an die gesellschaftliche Relevanz von Kunst. Seine radikale Ichbezogenheit fand Ausdruck in dem Willen, seinen Körper als schöpferische Instanz zu etablieren. Indem er sich, etwa durch stundenlangen Tanz, in eine Art Trancezustand brachte, schuf er Werke, deren Verbindung zum eigenen Unbewussten eine Voraussetzung für eine direkte Kommunikation mit den Betrachtern ermöglichen sollte. Im Gegensatz zu den Bildern der «Jungen Wilden» fehlt seinen Werken jede Ironie oder bewusste Provokation. Er produzierte schmerzliche Bilder der Condition humaine ohne jede ironische Distanz. Trotzdem setzen seine starke Expression, die an der Grenze zur Selbstkontrolle verlief und sein Instinkt für Dramen bewusste Entscheidungen voraus.