"Mein Junge, Du wirst in der Gosse enden. Du hast nur Mädchen und Fotos im Kopf!" prophezeite einst Helmut Newtons Vater den Werdegang seines Sohnes, als dieser sich im Alter von zwölf Jahren eine Kamera kaufte und sich mehr der Photografie als der Schule widmete. Diese Prophezeiung jedoch sollte sich nicht erfüllen. Newton machte sich exakt diese Vorlieben zu Nutze und entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Mode- und Aktfotografen des 20. Jahrhunderts. Er thematisiert Mode, Luxus, Geld und Macht. Seine Werke provozieren und rufen Assoziationen von Sexismus und Grenzüberschreitungen hervor und rücken in den Mittelpunkt kontroverser Diskussionen.
Der 1920 in Berlin geborene Newton ist zunächst jahrelang als internationaler Modefotograf für die australische Ausgabe der Vogue, die sein Hauptarbeitgeber wurde. Nach und nach verpflichten ihn auch die französische, italienische amerikanische und die deutsche Ausgabe sowie auch weitere Modezeitschriften. Seine Faszination für das weibliche Geschlecht, potenziert sich und bald bat er seine weiblichen Models in den Pausen für ihn zu posieren. Er macht Aktaufnahmen in aufreizenden Positionen, die ihm den Vorwurf einbringen, Frauen zu puren Lustobjekten zu degradieren.
In der Tat wirken einige seiner Fotografien auf den ersten Blick sexistisch. Irritierend ist jedoch die Art ihrer Darstellung. Newton inszenierte seine weiblichen Models mit einer kühl erotisierten Distanz, in einer provokativen Komposition. In seiner Serie "Domestic Nudes" zeigt er keine nackten Frauen in ihrer traditionellen Rolle als Hausfrau, sondern zeigt sie lässig positioniert in Highheels, eine Zigarette rauchend und die Szenerie gewissermaßen dominierend.
Newton konfrontiert den Betrachter mit Kompositionen, die gleichermaßen faszinieren wie irritieren, verbirgt sich doch hinter den auf den ersten Blick sexistisch anmutenden Aktdarstellungen ein kalkuliertes Spiel mit klassischen Rollenklischees. Macht und ihre geschlechtliche Zuschreibung wird zum Bildgegenstand. "Macht interessiert mich. Egal ob sexuelle oder politische Macht", so Newton. Auf die Spitze getrieben wird diese Frage in einem seiner Werke aus der Serie "Cyberwoman".
Die voyeuristische Linse des Fotografen führt den Betrachter an die Grenzen seiner gewohnten Wahrnehmung. Newton irritiert. Newton fasziniert.