Als am 6. September 1913 in Anwesenheit des Sächsischen Königs Friedrich August III. das „Landesmuseum für Sächsische Volkskunst“ im ehemaligen kurfürstlichen Jägerhof eröffnet wurde, war das der Start für einen völlig neuen Museumstyp, der sich den bisher wenig geachteten künstlerischen Erzeugnissen der „kleinen Leute“ widmete. Die Ausstellung zum 100. Jubiläum dieses Museums beleuchtet seine Geschichte anhand dreier Themenkreise:
Der Museumsgründer
Oskar Seyffert (1862-1940), Maler, Dozent, dann Professor für dekoratives Zeichnen an der Kunstgewerbeschule Dresden, war ein höchst umtriebiger, mit allen Künstlern, Architekten, Historikern, Denkmalpflegern, Volkskundlern und Kulturschaffenden Sachsens bekannter Netzwerker. Er nahm die um 1890 diskutierte Idee einer „ur-sprünglichen Kunst aus dem Volk“ auf und inszenierte sie auf unverwechselbare Weise; zunächst in Ausstellungen, Vorträgen und Zeitschriftenartikeln, später dann in seinem Museum. Er setzte dabei weniger auf die Überzeugungskraft von Argumenten als vielmehr auf die Wirkung inszenierter Bilder. Ob durch Ausstellung, Trachtenfest, Erzählung oder lebendig gestaltete Museumsräume, immer sprach er vor allem die Phantasie seiner Zeitgenossen an. „Kunst ist Sprache – Volkskunst ist Dialekt“ lautete eine seiner Umschreibungen, weit entfernt davon, eine Definition zu sein und doch unmittelbar eingängig.
Der ehemalige kurfürstliche Jägerhof erwies sich als ein sehr geeigneter Ort für das Museum, denn die Gewölbe in der Erdgeschosshalle widersprachen zwar faktisch einer volkstümlichen dörflichen Bauweise, formal aber rahmten sie die darunter inszenierten Zimmer und Stuben auf malerisch altertümliche Weise. Erhaltene Fotos erlauben heute in der Ausstellung einen Vergleich der Einrichtung an Ort und Stelle.
Andere Fotografien erzählen die Geschichte des Museums und seiner Menschen. Dabei geraten nicht nur die Direktoren, sondern auch die Mitarbeiter und nicht zuletzt die Besucher in den Blick. Im Zeitraffer der Bilderfolge wird deutlich, wie sich jede Generation das Museum neu erschlossen, welche Kontinuitäten sie bewahrt und welche Neuerungen sie entwickelt hat.
Das Konzept Volkskunst
Auch wenn „Volkskunst“ oft mit traditionellem Festhalten assoziiert wird: Das Konzept Volkskunst erwies und erweist sich als höchst wandlungsfähig. Ursprünglich als frische Vorbildersammlung für das kriselnde Kunstgewerbe gedacht, dann als „Artefakt der Ureinwohner vor der Haustür“ unter einem ethnologischen Blickwinkel betrachtet, wenig später als „echt deutsche Kunst“ heroisiert, dann als Beweis für die künstlerische Kompetenz der „arbeitenden Klasse“ angeführt und in der jüngsten Zeit als „echte Volkskunst“ vermarktet, als Hobby belächelt aber auch als Tradition gepflegt, blieb doch über Jahrzehnte die Grundidee erhalten, nämlich die Wertschätzung der Kunst der „kleinen Leute“, wie Oskar Seyffert sagte, oder der „Bürgerinnen und Bürger“, wie unsere Politiker sagen. Das Museum versteht sich heute als kunsthistorische Sammlung aller Facetten der Volkskunst und als Anreger, ja Anstifter für eine Eigeninitiative in Sachen Kunst.