Foto: Museum im Lagerhaus
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Museum im Lagerhaus - Stiftung für schweizerische Naive Kunst und Art Brut

Foto: Museum im Lagerhaus
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Davidstrasse 44
9000 St. Gallen
Tel.: 071 223 58 57
Homepage

Öffnungszeiten:

whr. Ausstellungen
Di-Fr 14.00-18.00 Uhr
Sa,So 12.00-17.00 Uhr

Ego-Dokumente

10.11.2015 - 28.02.2016

Im Erleben existentieller Ereignisse und Krisen entzünden sich spezifische Ausdrucksbedürfnisse oder Umformulierungen des Ich. Das hieraus entwickelte künstlerische Schaffen ist nicht allein Werk, sondern zugleich Ich-Konstruktion und Selbstmanifestation. Die Grenzen zwischen einem gestaltenden Ich und gestaltetem Kunst-Ich verwischen.
Die Ausstellung umfasst verschiedene künstlerische Positionen. Allen gemeinsam ist das stetige Umkreisen, Darstellen, Erläutern, Umdeuten oder gar Erfinden der eigenen Person. Pietro Angelozzi (1925–2015) wollte nie ‹Kunst› schaffen. Tatsächlich folgt er einem göttlichen Auftrag, der Welt von seinen sieben Visionen zu berichten. In fortwährend neu erzählten Bild-Geschichten, die er mit Hilfe kleiner Wörterbücher in diversen Sprachen verfasst, schildert er die Geschehnisse seiner göttlichen Ausnahmeerlebnisse und eigenen Erleuchtung. Eine Lebensdokumentation göttlicher Erfahrung.
Obsessiv spiegelt Anton Bernhardsgrütter (Anton B. lpc, geb. 1925) sein Ich in unzähligen Zeichnungen und Gemälden. 1973 bricht der Lehrer aus seinem Leben aus und widmet sich seitdem der Kunst. ‹Sein «Ich»›, schreibt er, ‹scheint ihm in den 30er Jahren abhanden gekommen zu sein›. Daher spricht er von sich in der dritten Person und splittet sich in drei Persönlichkeiten auf: die Figur des kritischen Satirikers und Chronisten Anton Brenzligugger, die Figur des ‹derben Knechts Franz Grubenmann als instinkthafter Mensch› und die ‹gebildete Figur des imaginären Reisens, des permanenten Anderswo, Joseph Kremars›. Eine vierte Facette übernimmt die Enkelin Saskia-Corina als Projektionsfigur aller nicht gelebten Hoffnungen. Seine Signatur lautet ‹Anton B. lpc›: ‹le pauvre cochon› – ‹das arme Schwein›.
Parzival und Emil Manser überschreiten die Grenze zwischen gelebtem Ich und Kunst-Ich, sie verkörpern ihre Ideen. Der selbst ernannte ‹Grünschuhpharao› und ‹Ambassadeur du Soleil› Parzival agiert als ‹Weltregierung› und unterwirft sein ganzes Sein und Handeln der Idee des Weltfriedens sowie des ökologischen Bewusstseins. Politisch motiviert, sind seine Agitationen jedoch derart künstlerisch gestaltet, dass sie zur nicht endenden Lebens-Performance geraten. Mit der Gestaltung eines Raumes und Aktionen im Museum im Lagerhaus ist Parzival erstmals in der Deutschschweiz vertreten.
Wie Parzival in Biel/Sonceboz war auch der Strassenkünstler und Philosoph Emil Manser (1951–2004 ) in Luzern als ‹Stadt-Original› bekannt, der in verschiedenen Rollen mit seiner Plakatkunst die Öffentlichkeit irritierte und verunsicherte. Als ‹Spinner› und ‹Störenfried› wurde er empfunden, doch ebenso als ‹Visionär›. Mit seinen appellativen Plakaten hat er alle angesprochen – und auch provoziert. Die Schreibfehler des gelernten Buchdruckers sind keine Fehler, sondern Absicht, ‹bewusst gesetzt und eingesetzt›, mit Lust am Spiel. Er ist der Narr, welcher der Gesellschaft den Spiegel vorhält, der Grenzen überschreitet, um in diesem Freiraum kreativ zu handeln.
Werner Baptistas (1946–2012) umfangreiches Werk besteht aus grossformatigen Acrylgemälden bis hin zu kleineren Blättern und unzähligen Tage- und Notizbüchern, gefüllt mit Zeichnungen und Collagen, in denen er, immer um sich selber kreisend, sein Ego auslebt.
Persönliches wird auf die Aussenwelt projiziert und in der Abrechnung mit dem Weltgeschehen die Auseinandersetzung mit dem Ich gesucht. Im staatlichen wie gesellschaftlichen Zusammenbruch des Ersten Weltkrieges sieht Rudolf Heinrichshofen (1858–1945) seine Lebensgeschichte gespiegelt. Für ihn potenziert sich die Ohnmacht des Bürgers in der Entmündigung und Anstaltsinternierung als ‹Geisteskranker›, die er bitter beklagt. Er kompensiert seine ausweglose Situation mit Spott auf das ihn beherrschende System und gestaltet eine Prachthandschrift, entstanden um 1919 in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Hildburghausen, aufbewahrt in der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg. Das Buch ist digitalisiert, so dass die AusstellungsbesucherInnen mittels Bildschirm darin blättern und lesen können.

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