Die Ausstellung „Das Dorf als Welt“ ermöglicht einen Einblick in das Werk von Arnold Odermatt (Jahrgang 1925, geboren in Oberdorf, Nidwalden) und gliedert sich in zwei Teile. In der Ausstellung im Nidwaldner Museum wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Fotografien von Arnold Odermatt zum ersten Mal in „seinem“ Kanton umfassend präsentiert werden.
Für den Pavillon wurde eine schlichte Ausstellungsarchitektur konzipiert: Der innere Teil des Pavillons wird als Grundriss aufgenommen, verkleinert, und als nach oben offene Struktur eingebaut.
Die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung treffen als Erstes auf ein international bekanntes Fragment aus Odermatts fotografischem Tagebuch. „Karambolagen“ zeigt eine Auswahl der zahlreichen Verkehrsunfälle, die im Rahmen des Berufsalltags des Polizisten Arnold Odermatt während rund 50 Jahren in Nidwalden entstanden sind und ihn – erst im Ruhestand - als Fotografen berühmt gemacht haben. Die Aussenwände des Quaders werden zusätzlich um jene Fotografien seines Arbeitsalltags erweitert, die auch zur Anwerbung neuer Polizisten dienen: Aufnahmen aus den Büros, das Polizeikorps bei der Arbeit draussen, die Polizisten wartend oder pausierend. Wolfenschiessen, Ennetmoos, Buochs und Stans sind die Schauplätze dieser Aufnahmen.
Im Inneren der Ausstellung trifft der Besucher auf eine andere Welt. Formal unterscheiden sich die Bilder kaum, die Handschrift Odermatts ist klar erkennbar: Die Reduktion auf das Wesentliche, sowie das oft in der Mitte des Bildausschnitts platzierte Hauptmotiv. Was der Besucher sieht, sind zum einen Szenen des Alltags und zum anderen Szenen einer Familie, die sich im Laufe der Zeit verändert, älter wird.
Verliebt, verlobt, verheiratet. Eine junge Frau auf einer Vespa, das Kopftuch keck unter dem Kinn zusammengeknotet – unterwegs am Wochenende, ein Ausflug irgendwo in der Schweiz. Mitglieder einer Familie, die zusammen am Tisch sitzen und dabei in Richtung des Fotografen blicken. Spielende Kinder, Grimassen schneidend, lachend.
Obschon die Betrachtung von Familienbildern, ungeachtet aus welchem Bestand, den Besucher in einen Zustand zwischen Erinnerung und Nostalgie zu versetzen vermag, scheinen die Aufnahmen austauschbar. Nur durch den emotionalen Bezug, den die Betrachtenden mit den Abgebildeten verknüpfen, entsteht ein erweiterter Bedeutungsraum. Nicht so bei den Aufnahmen von Arnold Odermatt: Das fotografische Festhalten seiner Lebensumgebung ist ein Zeitzeugnis. Er bittet den Besucher als Chronist mit an seinen Tisch. Das dörfliche Leben wird hier scheinbar aus kühler Distanz betrachtet und doch ist der Blick kein neutraler. Die Bilder vermitteln zwar keinen intimen Einblick in den Alltag, widerspiegeln jedoch trotzdem Nähe. Die Nähe zwischen Mann und Frau, zwischen Mutter und Tochter, zwischen den Geschwistern. Im Winkelriedhaus schliesslich zeigt das Nidwaldner Museum Bilder des dörflichen Lebens, Nidwalden als Lebensmittelpunkt mit all seinen Bewohnerinnen und Bewohnern. Die Fotos von Freizeitanlässen und dem Arbeitsalltag schliessen den konzeptuellen Kreis von öffentlichen zu privaten bis hin zu den halbprivaten Bildern aus Odermatts Umgebung.
Der Titel der Ausstellung „Das Dorf als Welt“ bezieht sich einerseits auf den begrenzten Raum, in welchem sich Arnold Odermatts Tagebuch bewegt. Andererseits kann es augenzwinkernd verstanden werden, dass das Dorf, das zur Welt wird, unweigerlich allen Umwälzungen unterworfen ist und sich doch in seinen sozialen und demografischen Eigenheiten in den vergangenen Jahren wenig verändert hat. Das Wechselspiel zwischen Öffentlichkeit und Privatheit wird ebenso zum Thema wie die Frage nach den Eigenheiten des Dokumentationsmediums Fotografie.