Es ist ein besonderer Moment, wenn man von der Dorfstraße aus durch die schwere grüne Tür das OBERAMMERGAUMUSEUM betritt. Unvermutet steht man in einem hohen und sehr hellen Kapellenraum, in dem moderne Stahl- und Glaskonstruktionen mit einem Deckengewölbe, alten Rundbogenfenstern und hölzernen Treppengeländern Freundschaft geschlossen haben.
Dieses Ambiente weckt Neugier - auf Vergangenheit und Gegenwart.
Ein Teil der Vergangenheit ist bald 100 Jahre alt: Im Jahr 1905 beauftragte der Oberammergauer Schnitzwarenverleger Guido Lang (1856-1921) den Münchner Architekten Franz Zell mit der Errichtung und Ausgestaltung des Museumsgebäudes. Das OBERAMMERGAUMUSEUM wird 1910 als "Verleger Lang'sches kunst- und kulturgeschichtliches Oberammergauer Museum" eröffnet.
Der Münchner Architekt und Ausstellungsgestalter Franz Zell (1866-1961) konnte ein ganzheitliches Museumskonzept verwirklichen, da er sowohl für die Bauplanung als auch für die Innenausstattung zuständig war. So war zum Beispiel der heutige Eingangsraum nicht nur durch die Einrichtung sondern auch architektonisch als Kapelle gestaltet und wurde ab 1920 der kleinen protestantischen Ortsgemeinde für Gottesdienste zur Verfügung gestellt.
1953 erwarb die Gemeinde das einzigartige Ensemble und erweiterte in der Folgezeit die Sammlungen beträchtlich. Nach einer grundlegenden Sanierung präsentieren sich die Ausstellungen seit 2004 mit einem neuen Konzept.
Im 1. Stock des Pilatushauses ist die Hinterglasbildabteilung des OBERAMMERGAUMUSEUMS zu besichtigen.
Die Hinterglasbildersammlung des OBERAMMERGAUMUSEUMS zählt zu den größten Europas. Ein Teil dieser Sammlung ist seit dem 3. Dezember im 1. Stock des Pilatushauses zu sehen.
Der Besucher wird in "Welten hinter Glas" berühmte Bilder wiederfinden und im Original sehen, die Maler wie Kandinsky oder Marc begeisterten, und die durch unzählige Reproduktionen weithin bekannt wurden. Neben Hinterglasbildern aus Oberammergau und dem Staffelseegebiet umfasst die Sammlung auch Bilder aus dem Bayer- und Böhmerwald und aus anderen Regionen, so dass Vergleiche zwischen den Bildern verschiedener europäischer Hinterglaszentren möglich sind.
Der Betrachter eines Hinterglasbildes sieht die glatte, unbehandelte Glasseite vor sich, die Farben befinden sich auf der anderen Seite. Oft sieht man zuerst nur Reflexe, Lichter, sich spiegelnde Hintergründe oder das eigene verschwommene Gesicht. Der Betrachter muss den richtigen Abstand, und den richtigen Winkel suchen um das Bild zu erkennen, er muss sich Zeit lassen und genau hinsehen, erst dann erschließen sich die Motive und geheimnisvoll leuchtende Farben. Hinterglasgemälde strahlen ihren ganz eigenen Reiz aus und dieser glatte, schwierig zu bemalende, harte und doch so zerbrechliche Bildträger Glas hat seit der Antike bis heute Betrachter und Künstler fasziniert.
In den drei Jahrhunderten zwischen 1550 und 1850 hatte die Hinterglasmalerei ihre Blütezeit. Einst eine Kunst für Kaiser, Adel und Klerus, erreichte sie im 18. Jahrhundert das wohlhabende Bürgertum und wurde seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch in der Volkskunst angewandt. In dieser vereinfachten und verbilligten Form wurde die Hinterglasmalerei populär und weit verbreitet. Durch den Erfolg des billigeren Farbdrucks seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verlor sie dann langsam an Bedeutung.
Zu den zahlreichen Hinterglasbildern der Grundausstattung des Museums erwarb die Gemeinde Oberammergau 1955 einen großen Teil der bedeutenden Hinterglasbildsammlung des Murnauer Braumeisters Johann Krötz hinzu. Dieser hatte bereits Ende des 19. Jahrhunderts über tausend Hinterglasbilder aus Häusern der Umgebung zusammengetragen, die überwiegend im Staffelseegebiet (Murnau, Seehausen, Uffing) und Oberammergau gemalt worden waren.
Die Bedeutung seiner Sammlung basiert zum einen darauf, dass damit sehr früh ein geschlossener Bestand dieses bedeutenden Hinterglasgebiets entstanden ist, zum anderen hatten Wassily Kandinsky und Gabriele Münter in Murnau seine Sammlung kennengelernt. Die Hinterglasbilder faszinierten schließlich fast alle Maler aus dem Kreis des "Blauen Reiters" so sehr, dass sie nicht nur Hinterglasbilder sammelten, sondern selbst hinter Glas malten und sich künstlerisch mit ihrer Farben- und Formensprache auseinander setzten. Franz Marc und Wassily Kandinsky wählten schließlich auch neun Bilder aus der Sammlung Krötz für die Veröffentlichung im Almanach "Der Blaue Reiter" aus (heute alle in der Sammlung des OBERAMMERGAUMUSEUMS). Diese programmatische Schrift gilt bis heute als eines der bedeutendsten Künstlermanifeste des 20. Jahrhunderts und beeinflusste maßgeblich die Entwicklung der modernen Kunst.
Durch die Schenkung des Ehepaars Harold (1912-1983) und Evi Stobitzer (1912-1988) kamen 1987 vor allem Bilder aus dem Bayer- und Böhmerwald und aus anderen Regionen hinzu. Es lassen sich so Vergleiche zwischen den Bildern zahlreicher verschiedener europäische Hinterglaszentren machen und so ganz unterschiedliche Malweisen und Malstile entdecken.
Das Pilatushaus - Das aus dem 18. Jahrhundert stammende Pilatushaus erhielt seinen Namen durch die eindrucksvollen perspektivischen Fresken des Lüftlmalers Franz Seraph Zwink (1748-1792). Es ist das wohl bekannteste Lüftlmalerei-Haus Oberammergaus, und beherbergt neben "Welten hinter Glas" im 1. Stock die "Lebende Werkstatt", in der man Kunsthandwerkern bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen kann. Es befindet sich schräg gegenüber des OBERAMMERGAUMUSEUMs, in der Ludwig-Thoma-Straße 10.