Ich brauch’ Tapetenwechsel sprach die Birke sang Hildegard Knef und schrieb fortan ihre eigenen Liedtexte.
Auch im Alltag spricht man* von Tapetenwechsel, wenn die Situation grundlegend verändert werden soll.
Anlass für unseren Tapetenwechsel ist der 30. Geburtstag des Schwulen Museums* im Dezember 2015.
Tapetenwechsel ist mehr als Tünche, es ist eine einschneidende Veränderung, die aber doch nur einen neuen Hintergrund für das vorhandene Inventar abgibt. Eine Interpretationshilfe, eine andere Ansicht, nicht nur im Alltag, sondern auch in Fragen der Selbstfindungen, der Theorien und Ideologien.
Wir wollen unsere Sammlungsbestände in ihrer Vielfalt ins Scheinwerferlicht setzen, sie aus dem Archiv befreien. Wir wollen die Geschichte ausgesuchter Objekte erzählen: woher sie kamen, wie wir sie erwarben, wie wir sie vor dem Vergessen retteten, wie wir ihre unterschiedliche Bedeutungsebenen erschließen. Ordnungsprinzip der Ausstellung sind zum einen Gattungsbegriffe wie Fotografie, Zeichnungen, Malerei, Skulpturen und zum anderen Ereignisse schwul-lesbischer Geschichte.
Obwohl wir seit einigen Jahren unsere Sammlungstätigkeit auf ein breites Spektrum der Regenbogenfamilie erweitert haben, spiegelt unsere Sammlung noch überwiegend die Kultur und Geschichte homosexueller Männer. Sammlungen aufzubauen braucht Zeit, Geduld und Glück. Vor allem aber Menschen, die ihre eigene Geschichte sichern wollen, die sich auf das Abenteuer des Sammelns einlassen, die Feuer fangen. In jüngster Zeit finden sich mehr und mehr auch lesbische Frauen, die die Sammlungsbasis des Schwulen Museum* um die Geschichte der Lesben ergänzen. Auch das ein Tapetenwechsel.
Sammeln heißt, nach etwas suchen und das Gefundene zu einer größeren Menge vereinigen um es zu verwerten. Gesammelt werden Dinge, für die man* sich interessiert, die man* zusammenträgt, um sie wegen ihres Wertes in größerer Anzahl, wegen ihrer Schönheit oder ähnlichem in einer bestimmten Ordnung aufzuheben. Sammeln führt dazu, dass im Laufe der Zeit an einer bestimmten Stelle eine Sammlung zusammenkommt.
Genau das ist in den vergangenen 30 Jahren geschehen. Am Anfang stand der Wunsch schwule Geschichte zu dokumentieren und sichtbar zu machen. In vielen Archiven schlummerten Objekte, die nur auf andere Zuschreibungen harrten. Lesbische oder schwule Bedeutungsebenen wurden in diesem Kontext meist geleugnet, unterdrückt oder nur verschämt umschrieben. Es galt also, sie in Besitz zu nehmen, sie zu „okkupieren“. Anfangs auch gegen Widerstände.
Mit der Ausstellungstätigkeit entstanden Kontakte, bildeten sich Rhizome. Objekte tauchten auf: bei Künstlerinnen und Künstlern, in Antiquariaten, auf Auktionen und Flohmärkten. Vieles wurde uns von Besuchern unserer Ausstellungen überlassen. Mäzene verhalfen uns zu Ankäufen. Künstler, denen wir Ausstellungen widmeten, wurden verpflichtet eine Arbeit für die Sammlung zu schenken. Die Kuratoren sammelten auch. Geld fehlte immer. Einige wichtige Exponate entzogen sich unseren Möglichkeiten. Die Sammlung wuchs. Nach dreißig Jahren wird es Zeit für eine Rückschau.