Zu Recht besitzt das St. Annen-Museum den Ruf, zu den schönsten Museen in Deutschland zu gehören. Nirgendwo sonst besticht ein solch harmonischer Zusammenklang von spätgotischer Klosterarchitektur und einer einzigartigen Sammlung sakraler Kunstwerke. Das Museum befindet sich in den Räumen des St. Annen-Klosters, das 1502 zur Unterbringung der unverheirateten Töchter Lübecker Kaufleute gegründet wurde. Noch heute zeigt das Erdgeschoss nahezu unversehrt die Struktur der mittelalterlichen Anlage.
Der Remter, im 16. Jahrhundert der Kapitelsaal, ist der größte und schönste Raum des Klosters. Die Konsolen der Kreuzrippen sind mit den Wappen der Stifter geschmückt. Die Räume, die die ehrwürdige Atmosphäre eines Klosters bewahren, bieten seit 1915 den stimmigen Rahmen für sakrale Kunst des 13. bis zum frühen 16. Jahrhundert. Zumeist stammen die Werke aus Lübeck selbst und belegen in eindrucksvoller Weise die Bedeutung Lübecks als Stätte der Kunst und der Kunstproduktion. Aus der reichen Fülle ragen einzelne Werke heraus, die weit über Lübeck hinaus Geltung haben. Unter den zahlreichen Marienfiguren ist die Niendorfer Madonna von 1420 wohl die anmutigste.
Sie entstand in der Zeit der Pest, in der die Bevölkerung besonders des Trostes für die Qualen des irdischen Daseins bedurfte. Der so genannte weiche Stil brachte den Typus der „schönen Madonna" hervor, anmutige Geschöpfe, die wie ein Abglanz des Himmels selbst erscheinen. In dieselbe Zeit gehören die Sandsteinfiguren der Törichten und Klugen Jungfrauen. Sie waren als Mahnung und Zeichen für das kommende Weltgericht in der ehemaligen Burgkirche aufgestellt. Heute bezaubern vor allem die Törichten den Betrachter durch ihren Liebreiz und den modischen Putz.
Für viele der Besucher aus dem In- und Ausland ist das St. Annen-Museum in erster Linie das Haus, das den berühmten Passionsaltar der Familie Greverade von Hans Memling aus dem Jahr 1491 bewahrt. Zweifelsfrei gehört dieser Altar mit seinen allseitig gemalten Flügeln zu den größten Kostbarkeiten der Hansestadt mit internationaler Bedeutung.
Der große Wandelalter mit den drei gemalten Ansichten zeigt im Mittelschrein die Stationen der Passion Christi, eingefügt in eine vielfigurige Erzähllandschaft. Der Altar beeindruckt vor allem wegen der Schönheit der Linienführung, der Kostbarkeit des Stofflichen und der Brillanz der Farben.
Über die Landesgrenzen hinaus ist das St. Annen-Museum berühmt wegen der umfangreichsten Sammlung mittelalterlicher Schnitzaltäre in der Bundesrepublik. Es sind zumeist Altäre, die von Bruderschaften oder Zünften gestiftet wurden. Sie zeigen auf den Außen- und Innenflügeln gemalte Tafeln; der Mittelschrein hingegen, der nur zu den hohen kirchlichen Feiertagen geöffnet wurde, ist mit vergoldeten Schnitzereien geschmückt. Hiermit sollte dem Gläubigen ein erster Blick in die himmlische Schönheit offenbart werden. Im Remter stehen die größten und schönsten dieser Altäre. Darunter gehören der Lukasaltar von 1484, der Maria Magdalenen-Altar von 1519 und besonders der reich ausgestattete Fronleichnams-Altar von 1496 zu den besonderen Attraktionen des Museums. Ergänzt wird die Sammlung durch kostbare Tafelbilder und Skulpturen aus dem 14., 15. und 16. Jahrhundert.